© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/14 / 29. August 2014

Angst vor dem endgültigen Schiffbruch
Frankreich: Mit Personalrochaden versucht die zerstrittene Linke das Land aus der Krise zu führen / Front National fordert Neuwahlen
Friedrich-Thorsten Müller

Frankreichs Rückkehr aus der politischen Sommerpause begann mit einem unerwarteten Paukenschlag. Frankreichs Premierminister Manuel Valls, seit knapp fünf Monaten im Amt, reichte bei Präsident François Hollande seinen Rücktritt ein, um von diesem sogleich mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt zu werden.

Hintergrund des Schachzugs ist, daß er Präsident und Premier erlaubt Schlüsselpositionen im Kabinett neu zu besetzten. Dieses wurde bisher von Arnaud Montebourg, einem Parteilinken, geführt, der das wirtschaftliche Heil Frankreichs in schuldenfinanzierten staatlichen Mehrausgaben und Dirigismus sieht.

Ein Kurs, der im klaren Gegensatz zu der auch von der Europäischen Union geforderten notwendigen Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit von Frankreichs Wirtschaft steht.

Hollande als notorischer Lügner gebrandmarkt

Doch der innerhalb der Sozialisten eher rechte Premierminister Valls will Ernst machen mit Wirtschaftsreformen und braucht dafür ein Kabinett aus einem Guß ohne Kritiker in Schlüsselstellungen. Denn die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit von über zehn Prozent, ein wiederholt nach unten korrigiertes Wirtschaftswachstum von nur 0,5 Prozent und eine Staatsverschuldung weiterhin oberhalb von vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts bedrohen inzwischen auch die Popularität von Valls, dem vormals beliebtesten Politiker der Regierung Hollande.

Vorausgegangen war dieser Regierungsumbildung am vergangenen Wochenende ein handfester Kabinettsstreit, bei dem Wirtschaftsminister Montebourg aus Sicht von Valls „eine gelbe Linie überschritten“ hatte, indem er erneut den Präsidenten sowie Deutschland und dessen „Austeritätspolitik“ massiv angegriffen hatte.

Das tiefe Zerwürfnis der französischen Linken offenbart sich auch in Montebourgs lautstarkem Abgang als Minister, indem er Hollande bezichtigte, ein notorischer Lügner zu sein, und Valls prophezeite, wie Hollande „Schiffbruch zu erleiden“. Montebourg wird trotz dieses Eklats von vielen als möglicher Nachfolger von Hollande als Präsidentschaftskandidat der Sozialisten für 2017 gehandelt.

Indes fordert Marine Le Pen, die Vorsitzende des Front National, Neuwahlen für die Nationalversammlung. Die Regierung werde dort keine Mehrheit mehr finden, und es sei an der Zeit, „den Franzosen wieder das Wort zu erteilen“. Mit ihrem Vorwurf, die Regierung unterwerfe sich der EU, ähnelt sie in ihrer Kritik darüber hinaus inhaltlich dem scheidenden Wirtschaftsminister.

Zurückhaltender reagierte dagegen die bürgerliche UMP. Jean-Pierre Raffarin, einer der Interims-Vorsitzenden der Partei, forderte die Regierung auf, zur Wirtschafts- und Sozialkrise nicht noch eine politische hinzuzufügen. Selbst wenn das bürgerliche Lager bei Parlamentsneuwahlen im Moment haushoch gewinnen würde, wäre die UMP durch die starke konstitutionelle Position des Präsidenten nur schwer in der Lage, sich in den nächsten zweieinhalb Jahren durch eine erfolgreiche Politik für die wichtigeren Präsidentschaftswahlen zu profilieren.

Außerdem muß sich die augenblicklich aufgrund des Rücktritts von Jean-François Copé infolge einer Parteispendenaffäre führerlose Partei personell erst wieder neu aufstellen. Auch eine Rückkehr des früheren Präsidenten Nicolas Sarkozy ist diesbezüglich weiterhin im Gespräch, käme aber im Moment verfrüht.

Wichtigster Wechsel im Kabinett Valls II ist die Entscheidung für den ehemaligen Rothschild-Bankier und Millionär Emmanuel Macron als Wirtschaftsminister. Der erst 36jährige Macron steht für solide Staatsfinanzen und für freien Markt und somit für den erwarteten Kurswechsel der französischen Regierung, die mit diesem neuen Kabinett wohl ihre letzte Chance bekommt, noch Neuwahlen zu vermeiden. Auch wenn die extreme Linke im Gegensatz zu den bereits zuvor ausgeschiedenen Grünen in der Regierung bleiben wird, dürfte es jedoch künftig nicht leicht sein, für diesen Kurswechsel Mehrheiten zu organisieren.

Bild: Premier Manuel Valls (l.) und Staatspräsident François Hollande: Fröhliche Gesichter sind bei Frankreichs Sozialisten seit Monaten rar gesät

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