© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/14 / 29. August 2014

Kassiber der RAF-Gefangenen unter der Lupe: Gegenseitige psychische Folter
Kasernendrill und Gehässigkeiten
(wk)

In den Feministischen Studien (1/2014) untersucht die Baseler Genderforscherin Vojin Saša Vukadinović die schriftlichen Mitteilungen, welche sich die RAF-Gefangenen im bundesdeutschen Strafvollzug unter konspirativen Bedingungen gegenseitig hatten zukommen lassen. Dabei gelangt sie zu folgendem Befund: „Für sich genommen, erlauben diese Dokumente einen minutiösen Einblick in eine Welt, die von sich behauptete, radikal mit Konkurrenz und Vereinzelung gebrochen zu haben, um dennoch hinter kapitalistische Subjektivierung zurückzufallen und aus der Distanz heraus clanhafte Zugehörigkeit zu befördern, in der das Recht des Stärkeren galt und Teilnahmezwang bestand, was Äußerungen über sich selbst anbelangte.“ Das heißt im Klartext, „in die Einsamkeit der Einzelhaft wurden sowohl der Drill eines Kasernenhofs als auch das rückzugsfreie Zugegensein in einem Gemeinschaftsschlafsaal übertragen“. Garniert wurde dieser allgegenwärtige Zwang zur Kollektivierung noch durch permanente gegenseitige Beschimpfungen wie „du idiot“, „du arsch“ und „du sau“ (was freilich nur die einigermaßen druckreifen Injurien sind). Unter diesen Umständen muß man sich fragen, ob die staatlicherseits angeordnete „Isolationshaft“ wirklich die größte psychische Folter darstellte, der die RAF-Häftlinge ausgesetzt waren. (wk)

www.feministische-studien.de

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