© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/14 / 29. August 2014

Auch wieder nur gleicher als gleich
Fidel Castros Ex-Leibwächter plaudert über dessen Leben in Saus und Braus
Michael Ludwig

Er gab sich als ein Mann des Volkes – er repräsentierte nicht bei rauschenden Galafesten, er kleidete sich nicht in den feinen Zwirn italienischer Anzüge, sondern trug die grüne, schmucklose Uniform der Revolution, er sagte, er lebe ein Leben ohne Luxus und das einzige, was er besitze, sei eine kleine Hütte am Ufer des Meeres, um dort zu fischen. Fidel Castro, der jahrzehntelang die Karibikinsel Kuba mit eiserner Faust regierte, zeichnete von sich das Bild des neuen sozialistischen Menschen – bedürfnislos und ausschließlich dem Gemeinwohl verpflichtet. Nun hat sein früherer Leibwächter Juan Reinaldo Sanchez ein Buch vorgelegt („Das verborgene Leben des Fidel Castro“), in dem es heißt: „Im Gegensatz zu dem, was er immer predigte, hat Fidel nie auf die kapitalistischen Annehmlichkeiten verzichtet oder ein Leben in Sparsamkeit geführt.“ Kurz und bündig faßt Sanchez sein Urteil zusammen: „Er hat gelogen!“

17 Jahre lang – von 1977 bis 1994 – begleitete der Bodyguard den „Máximo Líder“ auf Schritt und Tritt. Da Sanchez zu den Gefolgsleuten gehörte, die schon als Partisanen mit Castro in den Bergen gekämpft hatten, vertraute man ihm. In seinem Buch beschreibt er seine anfängliche Begeisterung für Fidel: „Er war für mich wie ein Gott. Ich habe alles geglaubt, was er gesagt hat.“ Er wäre, so der heute 65jährige, für Castro gestorben.

Lange Jahre verschloß er wider besseres Wissen die Augen vor dem, was sich in der Wirklichkeit abspielte. Während das gemeine Volk mit immer schlechteren Lebensbedingungen zurechtkommen mußte, genoß der Comandante sein Leben in vollen Zügen. Die angeblich so bescheidene Hütte lag auf der Privatinsel Cayo Piedra nahe der Schweinebucht – wo im April 1961 ein Landeversuch der kubanischen Contra, die vom CIA gesteuert worden war, im Feuer der Revolutionäre zusammenbrach –, und wer sie sah, erblickte ein Luxusanwesen, das in der Karibik seinesgleichen sucht. Es gab einen großen Süßwasserpool, ein Becken für Delphine, ein schwimmendes Restaurant, einen Landeplatz für Hubschrauber. Vor Anker lag die Yacht Aquarama II, 27,5 Meter lang, ein Geschenk des damaligen sowjetischen Staatschefs Leonid Breschnew. „Oft saß Castro auf der Yacht in seinem schwarzen Ledersessel (…) dazu ein Glas Chivaz Regal in der Hand“, erinnert sich der Bodyguard. In der Nähe hatte Fidel eine Schildkrötenfarm anlegen lassen, denn das Fleisch dieser Tiere gehörte zu seinen Lieblingsspeisen.

Hierher lud er seine Gäste ein – Präsidenten aus Lateinamerika, den Besitzer des einflußreichen nordamerikanischen Nachrichtensenders CNN, Ted Turner, den Staatsratsvorsitzenden der DDR, Erich Honecker. Zum Kreis dieser illustren Gästeschar gehörte auch der kolumbianische Schriftsteller und spätere Literaturnobelpreisträger Gabriel García Márquez. Sanchez schreibt, Fidel habe seinen Freund García Márquez zu überzeugen versucht, mit seiner Hilfe in Kolumbien die Macht zu übernehmen, was dem Schriftsteller wohl geschmeichelt haben muß, der aber die Hände von diesem Abenteuer ließ – eine hübsche Anekdote, angesiedelt in dem mitunter so bizarren Grenzgebiet zwischen Politik und Kunst.

Cayo Piedra diente dem Máximo Líder, der sich gerne als der größte Schürzenjäger der Karibik rühmte, aber auch als Liebesnest. Dort pflegte er die Damen seiner Begierde zu empfangen – seine Privatsekretärin Celia Sanchez, die dreißig Jahre lang für ihn arbeitete, seine Dolmetscherin Juanita Vera, die gleichzeitig auch für den Geheimdienst tätig war, und die Stewardess Gladys, die ihn auf seinen Auslandsreisen begleitete. Natürlich ist die Liste sehr viel länger… Um das weibliche Geschlecht in die richtige Stimmung zu versetzen, hielt der Comandante stets eine Zigarrenkiste der Marke Cohiba bereit, in der sich Hunderte von Diamanten befanden.

Castro dirigierte Schmuggel von Kokain wie ein Pate

Zum Bruch zwischen dem Staatschef und seinem treu ergebenen Leibwächter kam es, als Sanchez zufällig Zeuge eines verdeckten Telefongesprächs zwischen Fidel und seinem damaligen Innenminister Jose Abrantes wurde: „Ich hörte etwas, das ich nicht hören sollte, nämlich etwas über den Kapitän eines Schiffes, der mit den beiden beim Drogenschmuggel zusammenarbeitete.“ In seinem Buch notiert er über sein früheres Idol: „Er dirigierte den Kokainschmuggel wie ein wahrer Pate.“

Noch heute zählt die Verstrickung des sozialistischen Regimes in Havanna in den internationalen Rauschgifthandel zu seinen undurchsichtigsten Machenschaften. So erklärt Norbert Fuentes in seinem Buch „Dulces guerreros cubanos“ (Die sanften kubanischen Krieger), daß die US-Anti-Drogen-Behörde DEA 1989 bekannt gegeben habe, hohe kubanische Funktionäre würden dem kolumbianischen Medellin-Kartell dabei behilflich sein, Rauschgift in die USA zu schmuggeln. Um von dem Verdacht abzulenken, auch Fidel Castro sei daran beteiligt, habe man den angesehenen kubanischen General Arnaldo Ochoa dafür verantwortlich gemacht und, um Washington zu besänftigen, erschossen. Eine andere Lesart dieser Ereignisse vertritt der CIA-Analyst Brian Latell, der in seinem Buch „Despues de Fidel“ (Nach Fidel) schreibt, Castro habe Ochoa deshalb hinrichten lassen, um einer möglichen Revolte des Militärs zuvorzukommen. Ochoa galt als Befürworter von Gorbatschows neuem Politikverständnis, das von Fidel vehement abgelehnt wurde. Brian Latell: „Die Anklage gegen den General wegen Drogenhandels war nichts anderes als eine Nebelkerze.“

Juan Reinaldo Sanchez wollte sich in den Ruhestand verabschieden, was man ihm übelnahm. Die wachsende Entfremdung führte letztlich sogar dazu, daß man Sanchez mit einer zweijährigen Haftstrafe belegte. Nach mehreren Fluchtversuchen gelang es ihm schließlich, die Insel zu verlassen. Heute lebt er mit seiner Familie im US-Bundesstaat Florida.

Kubas Präsident Fidel Castro 1998 vor Journalisten: Seine kleine Fischerhütte entpuppte sich als Luxusanwesen mit Hubschrauberlandeplatz und eigenem Yachthafen

Juan Reinaldo Sanchez, Axel Gylden: La vie cachée de Fidel Castro. Michel Lafon Publishing, Neuilly-sur-Seine 2014, broschiert, 329 Seiten, 19,95 Euro

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