© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/14 / 05. September 2014

Wenn der eigene Kühlschrank anruft
Internationale Funkausstellung: Die Vernetzung der Haushaltsgeräte mit Computern und Mobiltelefonen ist das Großthema der Messe
Ronald Gläser

Wenn die Milch alle ist, bringt der Bote vom Supermarkt vier neue Tetrapacks, die er von außen in unseren Kühlschrank schiebt. Käse liefert er gleich mit, weil der morgen zur Neige geht. Außerdem entfernt er den Joghurt, dessen Verfallsdatum abgelaufen ist. Bier hingegen ist noch genug da. Alles geht automatisch, weil der Kühlschrank mit dem Internet verbunden ist. Auch spuckt der Kühlschrank über ein Display Rezeptvorschläge aus und diktiert seinem Besitzer Zutaten für die Einkaufsliste.

Je größer die Innovation, desto größer die Schlagzeile

Zukunftsmusik? Eher kalter Kaffee. Die Vorstellung, der Kühlschrank könne mit dem Internet verbunden werden, hört sich nach wie vor abenteuerlich an. Und unglaublich modern. Dabei ist das eine Geschäftsidee aus dem letzten Jahrhundert. 1998 wurden die ersten Produkte dieser Art angekündigt. Sie haben sich jedoch nie auf dem Markt durchsetzen können. Noch nicht.

Inzwischen hat sich viel getan. Drahtlosnetzwerke, 40 Millionen Smartphones und 26 Millionen Tablets verändern allmählich auch unser Konsumverhalten in Bereichen, die mit Kommunikation bislang eigentlich nichts zu tun hatten.

Auf der Internationalen Funkausstellung (Ifa) kommt kein Anbieter von Konsumelektronik an Verbundlösungen (engl. Connectivity) vorbei. Jeder setzt darauf, aber nicht alle sind gleichermaßen überzeugt. Manche Anbieter halten Vernetzung für PR-Geklingel. Natürlich sagt das niemand öffentlich. Denn die Gesetze der Medien sind einfach: Je ausgefallener eine Produktinnovation ausfällt, desto größer wird im Idealfall die Berichterstattung darüber sein.

Der Chef des Haushaltsgeräteherstellers Bauknecht, Jens-Christoph Bidlingmaier, betont, daß die Funktion der Produkte im Vordergrund stehe. „Eine Waschmaschine ist zum Waschen da.“ Zwar plane Bauknecht eine App, aber sie stehe nicht im Mittelpunkt. Bauknecht (Jahresumsatz 500 Millionen Euro) ist erstmals auf der Ifa vertreten. „Die beste Waschqualität ist entscheidend. Die Farben sollen erhalten bleiben. Das ist unsere Kernkompetenz“, so Bidlingmaier. Schuster, bleib bei deinem Leisten.

Konkurrent Siemens geht den entgegengesetzten Weg. Beim führenden deutschen Industriekonzern steht „Connectivity im Mittelpunkt“, betont Roland Hagenbucher, der Geschäftsführer der Siemens Electrogeräte GmbH. Und weiter: „Gesellschaftliche Trends spielen für uns eine große Rolle.“ Dazu zählt er zwei Dinge: die Digitalisierung einerseits und den Wandel der Küche zum Statussymbol andererseits.

Das liefert natürlich gleich mehrere Verkaufsargumente. Die Küche wird zum Hobbykeller des 21. Jahrhunderts. Immer mehr Männer kochen und bringen dabei ihre Werkzeuge zum Einsatz. Was früher die Flex oder der Kärcher waren, das sind in der modernen Siemensküche der Backofen und der Geschirrspüler der Reihe IQ700. Die IQ700-Geräte sind von überall bedienbar. Es gibt 200 Rezepte für den Ofen, die abgerufen und durch eigene Lieblingsrezepte ergänzt werden können. Dazu: Tips für Nutzer. Notfalls Hilfe vom Kundendienst. Alles über eine einzige App. Im Marketing-Denglisch von Siemens: „Home is where your app is.“

Nachricht: „Komm – und räum’ die Spüle aus“

Der IQ700-Backofen hat allerdings auch noch einen Knopf zum Drehen, den der Kunde „auch mit mehligen Händen noch bedienen kann“. Natürlich ist das Gerät mit einem Touchscreen ausgestattet. Beim IQ700-Gschirrspüler können Wasserhärte, Klarspülerzugabe und Einsatzzeit über die App gesteuert werden. Ist der Spülvorgang abgeschlossen, kommt eine Nachricht aufs Handy: „Maschine ausräumen, bitte.“ Hagenbucher sagte es so: „Technik ist kein Selbstzweck, sie muß das Leben einfacher machen.“

Auch Philips setzt voll auf Vernetzung. Der holländische Haushaltsgerätehersteller hat neben Maschinen für Filterkaffee (ab 35 Euro) vor allem zwei Produktlinien im Sortiment: Padmaschinen der Marke Senseo (ab 85 Euro) und Vollautomaten der Marke Saeco (ab 400 Euro). Das Saeco-Modell GranBaristo Avanti (1.600 Euro) kann neuerdings vom Tablet aus gesteuert werden. Jedes Familienmitglied kann sich seinen eigenen Kaffee brauen –­ oder sollte es heißen: konfigurieren?

Philips und Siemens sind Vorreiter beim vernetzten Haushalt, Bauknecht führt die Skeptiker an. Samsung geht den Mittelweg, setzt auf Vernetzung in ausgesuchten Produktsparten. So verschwendet Samsung kaum Zeit damit, die Vorzüge von vernetzten Spülmaschinen oder Staubsaugern anzupreisen. Wenn Kai Hillebrandt, Vizechef der Samsung-Konsumelektroniksparte, über seine Maschinen spricht, dann geht es vor allem um die Energieeffizienz der neuen Waterworld-Technologie.

Ganz anders ist das bei der Präsentation von „Samsung-Smarthome“: Von der Beleuchtung über die Surroundanlage bis hin zum Fernseher wird im zukünftigen Musterhaushalt alles mit dem Smartphone gesteuert. Die Wahrheit liegt vermutlich in der Mitte. Mehr Vernetzung ja, aber nicht für alle Geräte im Haushalt. Der Handel ist noch skeptisch, was die ganze Sache angeht. So verrät Mark Pyczak, Inhaber der Berliner Firma City-Küchen, über vernetzte Öfen und Spülen: „Das wird nur selten durch unsere Kunden nachgefragt.“

Internationale Funkausstellung vom 5. bis 10. September in den Berliner Messehallen

www.b2c.ifa-berlin.de/

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