© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/14 / 05. September 2014

Thalers Streifzüge
von Thorsten Thaler

Es gibt Lieben, die niemals verglühen. So geht es mir mit Charles Bukowski. Ich liebe seine Romane, Erzählungen und Gedichte. Ich mag den Typen und seine Selbstmythisierung, diese Ineinssetzung von Leben und Werk, die literarische Fiktionalisierung des – vermeintlich oder tatsächlich – Autobiographischen. Früh habe ich angefangen, alles von Bukowski zu lesen, was ich in die Finger bekommen konnte. In einem gesonderten Bücherbord stehen noch die ersten Fischer-Taschenbuch-Lizenzausgaben des Augsburger Maro-Verlages mit den von Jan Buchholz und Reni Hinsch gestalteten rosafarbenen Umschlägen („Das Leben und Sterben im Uncle Sam Hotel“, 1981; „Schlechte Verlierer“, 1981; „Die Ochsentour“, 1982); ebenso die ersten dtv-Gedichtbände. Beide Reihen haben diverse Wohnungsumzüge überstanden und werden von mir gehütet wie der biblische Augapfel.

Diese Liebe zu Charles Bukowski, der im März vor zwanzig Jahren an Leukämie verstorben ist, währt bei mir nun schon über drei Jahrzehnte. Immer wieder einmal greife ich zu seinen Büchern, vor allem den Gedichtbänden. Ihre Lektüre macht das Leben in seinen schwierigen Momenten ein wenig leichter, erträglicher. Bukowskis Stil ist ungekünstelt, hart, direkt, brutal, zuweilen vulgär. Seine Geschichten und seine Gedichte erzählen häufig von geprügelten, entwurzelten, verlorenen Seelen, von Unverstandenen, Einzelgängern und Außenseitern. Den vom Leben Gezeichneten, die aber trotz aller Niederschläge innere Stärke und Haltung beweisen. Die sich nicht unterkriegen lassen, am nächsten Tag wieder aufstehen und einen Fuß vor den anderen setzen. Die der Welt den Stinkefinger zeigen.

Bis heute halte ich nach Titeln von beziehungsweise über Charles Bukowski Ausschau, die ich womöglich noch nicht kenne und besitze. So entdeckte ich erst vorige Woche „Das weingetränkte Notizbuch“ mit gesammelten Stories und Essays der Jahre 1944 bis 1990 (S. Fischer Verlag, gebunden, 350 Seiten, 19,99 Euro). Bereits Ende 2012 erschienen, enthält es eine Auswahl von Texten, die Bukowski für Underground-Publikationen, Literaturzeitschriften und sogar Pornomagazine geschrieben hat und hier zum Teil erstmals auf deutsch erscheinen. Kostprobe aus dem titelgebenden „Notizbuch“, einem Genremix aus Prosa und Lyrik: Das Leben und bis zum Tod dranbleiben / das ist das Problem / in unsrer feigen, brutalen Pappnasengesellschaft / sagte die Katze / und sprang rückwärts über ihren / Arsch.

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