© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/14 / 05. September 2014

Nur eine Momentaufnahme
Netzwirtschaft: Kritiker werfen Google und Co. Monopolbildung vor, aber stimmt das überhaupt?
Christian Schwiesselmann

Sigmar Gabriel hat dem „Informationskapitalismus“ von US-Internetunternehmen wie Google, Amazon und Facebook den Kampf angesagt. Wo „in neufeudaler Selbstherrlichkeit auftretende Monopolisten sich rechtsstaatlichen Regeln entziehen und notwendige Informationen verweigern“, schrieb der Bundeswirtschaftsminister (SPD) in der Frankfurter Allgemeinen, sei die „ursozialdemokratische Aufgabe: den ungezähmten Datenkapitalismus zu bändigen und zu zähmen“.

Wettbewerbsökonomen und Kartellrechtler der Universität Düsseldorf haben nun im Ifo-Schnelldienst (16/2014) ihre Zweifel formuliert, ob dem Vizekanzler bei seinem journalistischen Gastauftritt nicht die „antikapitalistischen“ Reflexe durchgegangen sind. Justus Haucap, Direktor des Düsseldorfer Instituts für Wettbewerbsökonomie, bezweifelt, daß der Versandriese Amazon der Welt diktiere, wie Bücher gelesen, publiziert und geschrieben werden: Das sei „Quatsch“ und „intellektuelles Geschwurbel über das Ende von Freiheit und Selbstbestimmung und die Zukunft der digitalen Welt voller von amerikanischen Konzernen fremdbestimmter Menschen“.

Das Problem sei ein Strukturwandel, den die Digitalisierung auslöse und für den Amazon, Google und Co. symbolisch stünden. Anders als der stationäre Buchhandel ermögliche es Amazon seinen Kunden, bequem mit maßgeschneiderten Informationen und beinahe unbegrenztem Sortiment einzukaufen. „Bei vielen Feuilletonisten scheint hier jedoch die romantische Verklärung darüber, was der kleine Buchhändler um die Ecke angeblich leistet, den Blick auf die Realität zu vernebeln“, urteilt Haucap.

Amazons Anteil am Online-Buchhandel liege zwar bei 80 Prozent, der Anteil am gesamten deutschen Buchmarkt jedoch bei nur 25 Prozent. Die Verhandlungen zwischen Amazon und einigen Verlagen will der Volkswirt kaum anders bewerten „als etwa Verhandlungen zwischen Lidl und Coca Cola über die Bezugskonditionen“.

Die Verlage seien durch das Kartellrecht und die Buchpreisbindung hinreichend privilegiert. Übrigens auf Kosten der Verbraucher, die Bücher zu überhöhten Preisen erwürben. „Das Verhältnis von medialer Hysterie und Erregung zu sachlicher Analyse tendiert in der deutschen Öffentlichkeit gegen unendlich“, feuert der Ökonom in seinem gemeinsam mit der Hamburger Nachwuchswissenschaftlerin Christiane Kehder verfaßten Aufsatz gegen die selbsternannten Kapitalismuskritiker.

Für Haucap ist klar: Es gibt im Internet zwar eine „Konzentrationsbewegung“, aber keine Monopolisierung. Keine hohen Wechselkosten oder Netzeffekte – wie bei Monopolen üblich – seien zu beobachten. Die Marktmacht Googles resultiere bespielweise aus der „überlegenen Qualität der Dienste“, eröffnet Haucap die Diskussion über die Marktdominanz von Google, Amazon und Co. Gerade weil Google die meisten Suchanfragen hätte, könne es seinen Suchalgorithmus ständig verbessern und höhere Lerneffekte als die Wettbewerber erzielen.

Zukünftige Entwicklungen wie die Google Glass oder Google Car könnten den Vorteil noch ausbauen. Gabriels Ankündigung, das Kartellrecht gegen Google in Stellung zu bringen, zerpflücken die Düsseldorfer Wirtschaftsjuristen Christian Kersting und Sebastian Dworschak. Da Google seine Leistungen unentgeltlich erbringe, habe es gar keine monopolistische Preissetzungsmacht, urteilen der Lehrstuhlinhaber für Kartellrecht Kersting und sein wissenschaftlicher Mitarbeiter Dworschak.

Da Google kostenfrei ist, kann es kein Monopol sein

Ihre Beobachtung: „In Fällen fehlender entgeltlicher Austauschbeziehungen lehnte die Verwaltungspraxis bislang bereits die Existenz kartellrechtlich relevanter Märkte ab. So haben im Medienbereich sowohl das Bundeskartellamt als auch die Europäische Kommission die Existenz eines Marktes für unentgeltlich abgegebene Hörfunk- und Fernsehprogramme sowie Zeitschriften verneint.“

Beide halten es für besonders fragwürdig, die zweifellos hohen Nutzerzahlen mit Marktanteilen gleichzusetzen. Der hohe Nutzeranteil gleiche einer Momentaufnahme, die Google täglich neu behaupten müssen, da der Wechsel der Suchmaschine kostenlos und ein anderer Anbieter wie Yahoo! oder Bing „nur einen Mausklick“ entfernt sei. Bei realistischer Einbeziehung auch spezialisierter Suchmaschinen wie Amazon, Ebay oder Opodo in die Erfassung der Nutzerzahlen wäre der Anteil Googles deutlich geringer.

Ihr Fazit lautet, daß Google einem hohen Wettbewerbs- und Innovationsdruck ausgesetzt sei und entgegen dem „öffentlichen Meinungsbild“ nicht über eine marktbeherrschende Stellung verfüge: „Marktzutritte durch neue und innovative Anbieter wie etwa Wolfram Alpha, Blekko oder DuckDuckGo belegen dies.“ Letzere machten in den USA gute Fortschritte. Ähnliches gelte für Yandex und Baidu, die derzeit zwar hauptsächlich in Asien operieren, jedoch Expansionspläne haben.

Ließe die Suchmaschine im Kampf um Qualität und Innovation nach, dann verlöre sie schnell die vermeintliche Marktführerschaft unter den Suchmaschinen.

Ifo-Schnelldienst 16/2014. Herausgeben vom Ifo-Institut in München.

www.cesifo-group.de/

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