© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/14 / 05. September 2014

Deutsches Kaiserreich einmal anders
Das aktuelle „Deutschland-Journal“ der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft widmet sich dem Beginn des Ersten Weltkriegs
Hans-Joachim von Leesen

Fast einhundert Mal schon erschien das Deutschland-Journal, in dem die Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft einerseits über ihre Aktivitäten berichtet, dabei besonders bemerkenswerte Vorträge abgedruckt präsentiert, und zum anderen die Stellungnahmen der SWG zu aktuellen Ereignissen veröffentlicht. Soeben ist eine Ausgabe erschienen, die vor allem jenes SWG-Seminar dokumentiert,  zu dem sich im Frühjahr 2014 über 200 Mitglieder und Freunde in Hamburg versammelt hatten, um sich mit dem Thema „1914 – Europa vor dem Sturm. Lehren  für heute“ zu befassen.

Im vergangenen Jahr sind verschiedene Bücher erschienen (Christopher Clark, Hans Fenske, Jörg Friedrich, Herfried Münkler oder Sean McMeekin), die sich kritisch mit der im Versailler Friedensdiktat festgeschriebenen These einer Alleinschuld Deutschlands am Ausbruch des Ersten Weltkrieges befassen und überwiegend zu dem Schluß kommen, daß solche Behauptungen gründlichen wissenschaftlichen Prüfungen nicht standhalten.

These von der deutschen  Alleinschuld widerlegt

Die SWG ließ in ihrem Seminar den Historiker Walter Post zu Wort kommen, der die imperialen Ziele von Großbritannien, Frankreich, Rußland, Serbien, Deutschland und Österreich-Ungarn darstellte. Diese führten letztlich zum Krieg, ohne daß die Verantwortlichen ahnten, welche Ausmaße er annehmen  würde. Von einer Alleinschuld könne keine Rede sein. Dem in der Bundesrepublik häufig geschmähten deutschen Kaiserreich ließ der Historiker und Publizist Günther Deschner Gerechtigkeit widerfahren, indem er heute weitgehend verdrängte Errungenschaften wie die von Bismarck initiierte Sozialpolitik – damals die fortschrittlichste der Welt –, oder das in ganz Europa bestaunte erste deutsche Wirtschaftswunder in Erinnerung rief. Auch das dreigliedrige Schulsystem wurde zum Muster für viele europäische Staaten. Ein Ergebnis war, daß Deutschland um die Jahrhundertwende, anders als heute, so gut wie keine Analphabeten mehr aufwies. Das Deutsche Reich war damals ein Kulturstaat ersten Ranges, was nicht zuletzt seine 21 Nobelpreisträger auswiesen. Die Summe dieser Fakten ließ das Deutsche Reich zum führenden Land auf dem Kontinent werden, was den Argwohn manches englischen Politikers weckte und sein imperiales Selbstverständnis herausforderte. In der sich den Referaten anschließenden Diskussion wurde insbesondere der Hamburger Historiker Fritz Fischer einer kritischen Würdigung unterzogen. Fischer, vor 1945 ein prononcierter Nationalsozialist, festigte in den sechziger Jahren durch sein Buch „Griff nach der Weltmacht“ in besonderem Maße die – nicht zuletzt durch die gegenwärtigen Publikationen mittlerweile widerlegte – These von der deutschen Alleinschuld.  Ausführliche Besprechungen von Neuauflagen zweier wichtiger Bücher, nämlich die umfassenden Biographien des Historikers und Generalleutnant a.D. Franz Uhle-Wettler über den Feldherren Erich Ludendorff (JF 5/14) und den Großadmiral Alfred von Tirpitz runden das über 140 Seiten starke Deutschland- Journal ab. Der Ausgabe liegt zudem eine von Ehrhardt Bödecker, dem Schöpfer des Brandenburg- reußen-Museums in Wustrau, produzierte DVD mit dem Dokumentarfilm „Das Deutsche Kaiserreich einmal anders“ bei. Bödecker stiftet diese den Mitgliedern und Freunden der SWG. Eine kritische Anmerkung gilt der Schlußredaktion: Satzfehler kommen überall vor. Die Masse der Fehler in diesem Heft sollte den Redakteuren allerdings zu denken geben.

Das Deutschland-Journal samt DVD ist gegen Einsendung eines Fünf-Euro-Scheines pro Exemplar für Schutzgebühr inklusive Versandkosten erhältlich bei der SWG, Postfach 26 18 27, 20508 Hamburg www.swg-hamburg.de

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