© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/14 / 05. September 2014

Wildwuchs ist besser
Kein Rebhuhn, nirgends: Monokultur und übertriebene Landschaftspflege rauben dem Niederwild den Lebensraum
Heiko Urbanzyk

Anfang Juli meldete das Bundesamt für Naturschutz einen dramatischen Rückgang von Wiesen und Krautflächen in Deutschland. Zwischen 2009 und 2013 seien 82.000 Hektar Grünland verschwunden; ein Minus von 7,4 Prozent. Spürbare Folgen beklagen Imker und Jäger seit Jahren. Naturbelassene Wiesen und ungepflegtes Brachland sind Lebens- und Schutzraum sowie Futterquelle.

Die Bestände des Niederwilds wie Hasen und Rebhühner gehen zurück. Im Münsterland berichten Jäger, sie hätten sich bei der Zahl der erlegten Tiere Selbstbeschränkungen auferlegt. „Selbst diese Jagdstrecken wurden letztes Jahr nicht erreicht. Es gab einfach keine Rebhühner“, sagt Jäger Heinz Müller gegenüber der JF.

In Bayern sieht es nicht anders aus. „Die Wildarten auf unseren Feldern stagnieren seit Jahren trotz intensiver Hege und Verschonung vor der Jagd“, berichtet Wendelin Schleicher der JF. Der Jurist jagt seit über 40 Jahren und hat festgestellt, „daß die Ursache darin zu suchen ist, daß ungepflegtes Brachland zu einer Rarität geworden ist“. Dies entzieht dem Niederwild seine Deckung vor Freßfeinden oder treibt es in die bewirtschafteten Felder, wo der Tod im Mähdrescher wartet. Deshalb rief Schleicher, der bis 2007 Jagdberater der Stadt Ingolstadt war, die „Aktion Brachland“ ins Leben.

Erste Ansprechpartner seien die Bauern. Landwirte mit Verständnis für ökologische Zusammenhänge würden auf die Pflege ihrer Feldwegränder verzichten. Dies biete den nötigen Lebens- und Schutzraum für Junghasen und bodenbrütende Vögel. Zu Unrecht würden solche Bauern als „Schlamper“ bezeichnet.

Unnötige Säuberung von Wegerändern unterlassen

Andere Bauern besäßen zwar unbewirtschaftetes Grünland, würden dieses aber trotzdem mähen und Mähgut abfahren – weil es das Gesetz vorschreibt und weil es sonst keine Prämien gibt. Durch die Mahd „gehen aber viele wertvolle Brachflächen verloren beziehungsweise verlieren ihren Zweck“, schreibt Schleicher im Jagdmagazin Pirsch. Der Brachlandschützer wirbt für gesetzlich legale Alternativen: „Das Landwirtschafts­amt kann auf Antrag Abweichungen genehmigen, soweit naturschutzfachliche Gründe dies erfordern.“ Ein Kreuz an der entsprechenden Stelle und die Unterschrift unter dem Formular, und der Bauer erhält seine Prämien nicht trotz, sondern wegen des Wildwuchses weiterhin.

An die öffentliche Hand mit ihren Straßenbaubetrieben appelliert Schleicher, sich unnötige und aufwendige Pflegearbeiten an Feldwegrändern und Ausgleichsflächen zu ersparen. Der Staat spart und tut damit ausnahmsweise Gutes.

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