© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/14 / 12. September 2014

Die sichere Bank gibt es nicht mehr
Brandenburg: Während die AfD auf den Einzug in das Potsdamer Stadtschloß hoffen kann, drohen SPD und Linkspartei bei der Landtagswahl Verluste
Ekkehard Schultz

Prognosen sind schwierig, besonders wenn sie die Zukunft betreffen. Das darf sich auch die seit den ersten freien Wahlen von 1990 in Brandenburg regierende SPD gesagt sein lassen. Die Ergebnisse bei den Bundestagswahlen von 2013 und der jüngsten Europawahlen vom Mai zeigten, daß es so etwas wie eine Garantie auf fortgesetze Erfolge nicht gibt. Die Sozialdemokraten mußten deutliche Verluste hinehmen.

Nach einer Wahlkreisprognose von election.de vom 6. September führt die CDU zwar in nur 14 brandenburgischen Direktwahlkreisen. Gleichwohl kann nur in vier der 44 Wahlkreise das Rennen als entschieden gelten, 33 dagegen sind höchst umkämpft mit völlig ungewissem Ausgang. Ein Grund für die aus SPD-Sicht unerfreuliche Unsicherheit könnte auch der Rücktritt des charismatischen Ministerpräsidenten Matthias Platzeck sein, dessen Popularität der Nachfolger, Dietmar Woidke, bei weitem noch nicht genießt. Nach einer Umfrage von Infratest dimap vom 5. September käme dessen Partei auf einen Zweitstimmenanteil von 31 Prozent, zwei Prozentpunkte weniger als bei der vorherigen Landtagswahl 2009.

Indessen tritt auch der Herausforderer von der CDU, Michael Schierack, am kommenden Sonntag zum ersten Mal als Spitzenkandidat an. Dieselbe Umfrage sieht seine Partei bei 24 Prozent – ein schönes Plus in der Wählergunst von 4,2 Prozentpunkten gegenüber 2009 und im tiefroten Brandenburg durchaus bemerkenswert.

Freie Wähler könnten über Direktmandat einziehen

Die Linke liegt in der Umfrage bei 22 Prozent und würde damit erheblich Federn lassen. Bei der Wahl 2009 erreichte sie 27,2 Prozent.

Entscheidend könnten daher die gut 31.000 Stimmen der 16- und 17jährigen werden, die bei der Landtagswahl erstmals ihre Stimme abgeben dürfen. Die rot-rote Regierungskoalition hatte Ende 2011 das Mindest­alter dafür herabgesetzt, mit der Unterstützung von Grünen und FDP.

Ein Novum bahnt sich im Wahlkreis 25 an. Dessen Gemeinden sind von Lärm durch den Flughafen Schönefeld am meisten betroffen. Laut Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Insa wird sich der Spitzenkandidat der Brandenburger Freien Wähler, Christoph Schulze, über 42 Prozent der Erststimmen freuen können. Damit wären die Freien im Landtag, da die Fünfprozenthürde nicht für Parteien gilt, die landesweit mindestens einen Wahlkreis erringen. Das Brandenburger Wahlgesetz macht’s möglich. Den Wahlkreis hatte Schulze seit 1990 immer für die SPD gewonnen. Aus Ärger über deren Flughafenpolitik gab er vergangenes Jahr sein Parteibuch zurück. Seitdem engagiert er sich als Verfechter eines Nachtflugverbots für den Großflughafen BER. Der kommt freilich über die Bauphase nicht hinaus.

Während der Wiedereinzug der FDP in den Landtag, der nunmehr im rekonstruierten Potsdamer Stadtschloß residiert, unwahrscheinlich erscheint und ein Erfolg der Grünen kippelt (derzeit in Umfragen bei sechs Prozent), ist die AfD nach den jüngsten Sondierungen auf der sicheren Seite: Infratest dimap sieht die Euro-Kritiker bei neun Prozent, die Forschungsgruppe Wahlen am 4. September bei acht. Getragen von dem Erfolg in Sachsen, legt die AfD dabei thematisch den Finger vor allem auf innenpolitische Wunden. So wies ihr Spitzenkandidat Alexander Gauland auf die von der Landesregierung der Öffentlichkeit verschwiegene Nutzung weiterer Objekte für die Aufnahme von Flüchtlingen hin. Dadurch würden Bürger und Lokalpolitiker vor vollendete Tatsachen gestellt.

Weitere Themen im Brandenburger Wahlkampf stellen die Bildungspolitik und die immer stärker auseinanderklaffende Entwicklung zwischen den einzelnen Landesteilen dar. Während rund um Berlin mittlerweile ein Ring aus prosperierenden Gemeinden besteht, die mit hohen Steuereinnahmen, geringer Arbeitslosigkeit, guter Infrastruktur sowie attraktiven Wohn- und Freizeitmöglichkeiten für sich werben können, hat die Peripherie im Nordwesten, Osten und Südosten den Anschluß längst verloren. Dieser Trend wird sich noch beschleunigen, da die zukunftsfähigen Forschungseinrichtungen fast ausschließlich im Umfeld der Landeshauptstadt angesiedelt wurden. Zudem verfügen die im Nordwesten Brandenburgs gelegene Prignitz oder die Uckermark über keine bedeutsame politische Lobby: Während die mehr als 212.000 Hektar umfassende Prignitz von der Fläche her fast so groß ist wie das Saarland, leben dort nur 80.000 Menschen. Deswegen ist der Landkreis im Landtag auch gerade einmal mit zwei Abgeordneten vertreten.

Ebenso wie die FDP dürfte auch die NPD der Sperrklausel zum Opfer fallen. Denn im Gegensatz zu Sachsen und Thüringen ist ihre örtliche Verankerung schwach, das Personal nahezu unbekannt. Zudem hat sie hier das schwierige Erbe der von 1999 bis 2009 im Landtag vertretenen DVU übernommen, deren zentralistisch ausgerichtete Parteispitze den Aufbau derartiger Strukturen nicht unterstützte. Ähnlich schlecht sind die Aussichten der Piratenpartei. Aber, wie gesagt, Prognosen sind schwierig.

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