© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/14 / 12. September 2014

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Das böse M-Wort
Peter Freitag

Wer bei einem gemütlichen Feierabendbier auf Mitarbeiter des Verkehrsministeriums trifft und das Thema Maut anspricht, läuft Gefahr, den Gerstensaft des Gegenübers ins Gesicht geschüttet zu bekommen. Nein, das M-Wort ist tabu, wenigstens nach Dienstschluß, bitte schön!

Die Sonne senkt sich, und zwei Pilsener später lockert sich auch die eine oder andere Zunge. Fällt dann der Name dessen, der Hausherr im – laut Eigenbezeichnung – „Ministerium für Mobilität und Modernität“ ist, lassen die Begriffe „Inkompetenz“ sowie „Vor-die-Wand-fahren“ nicht lange auf sich warten. Alexander Dobrindt (CSU) habe nur zwei Themen auf dem Schirm, die „Digitale Agenda“ (die eigentlich kaum jemanden interessiere) und die PKW-Maut. „Und das ist jetzt nicht so das Gewinnerthema ...“

Wie sollte es auch, angesichts des vielstimmigen Chors der Gegner. Finanzminister Wolfgang Schäuble gehört dazu, die nicht ganz unwesentlichen CDU-Landesverbände Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen. Und dann droht auch noch am Wochenende Ungemach aus Niedersachsen, der Heimat von Dobrindts Staatssekretär Enak Ferlemann. Dort werden die Kreisverbände aus dem Westen auf dem Landesparteitag darauf dringen, die Maut zumindest in den Grenzregionen zu den Niederlanden auszusetzen, da man andernfalls erhebliche wirtschaftliche Nachteile befürchtet.

Unter den Ministerialbeamten herrsche daher allgemeines Kopfschütteln; kaum einer im Haus, der nicht mit dem Gedanken spiele, sich versetzen zu lassen. Hört man dem sichtlich Frustrierten so über die Blume des mittlerweile vierten Bieres hinweg zu, drängt sich der Eindruck auf, die Stimmung im SED-Politbüro sei Ende November 1989 besser gewesen als diejenige derzeit im Ministerium in der Berliner Invalidenstraße.

Jeder dort wisse doch, daß die prognostizierten Einnahmen (abzüglich aller Ausnahmeregelungen) aus der Maut fast vollständig von den Bürokratiekosten aufgefressen würden, die mit ihrer Einführung einhergingen. Um das Wahlversprechen der CSU einzulösen, arbeite man nun an der Quadratur des Kreises: die vermeintliche „Ausländer-Maut“ soll deutsche Autofahrer nicht mehr belasten, muß jedoch mit dem europäischen Recht und Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar sein.

„Was beim Herrn Minister dagegen vollkommen hinten runterfällt, sind die wirklich wichtigen Zuständigkeiten. Von denen hat er keine Ahnung, dafür interessiert er sich nicht!“ Was da wäre? „Na, das Milliardenunternehmen Bahn, bei der ein Streik droht, die staatliche Deutsche Flugsicherung, das satellitengestützte Navigationssystem Galileo ...“ Lauter solche „Kleinigkeiten“.

Kleines Detail am Rande: Dobrindts Nachfolger als CSU-Generalsekretär, Andreas Scheuer, war zuvor Parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium. „Bei dieser Rollenverteilung hätte es mal besser bleiben sollen ...“, grummelt der Gesprächspartner und verabschiedet sich. Morgen geht es schließlich wieder an den Arbeitsplatz in der Invalidenstraße 44. Wer weiß, wie lange noch.

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