© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/14 / 12. September 2014

Ein politisches Zuchthaus
Waldheim: Geschichte einer Strafanstalt
Friedrich-Wilhelm Schlomann

Das Buch „Strafanstalt Waldheim“ schildert die wechselvolle Geschichte des heute ältesten noch existierenden Gefängnisses in Deutschland. Angesichts der starken Kriminalität nach dem Dreißigjährigen Krieg gründete August der Starke 1716 das „Zucht-, Armen- und Waisenhaus zu Waldheim“. Grundgedanke war, sich durch Arbeit „vor Gott angenehm zu machen“.

Ab 1830 galt mehr die Vergeltung, besonders nach den freiheitlichen Aufständen in Sachsen. Waldheim wurde primär ein politisches Zuchthaus mit schärferen Strafen. Der Historiker Franz Mehring nannte Waldheim „das scheußlichste aller scheußlichen Folterkammern“. Reformen brachten gewisse Erleichterungen. Vier Jahre verbrachte der damals noch unbekannte Karl May in Waldheim wegen etlicher Straftaten.

Während der NS-Zeit dominierte der Gedanke der „unbedingten Sicherung der Volksgesamtheit vor Schädlingen“. Zahlreiche verurteilte Widerstandskämpfer gegen das Hitler-Regime saßen in Waldheim ein. Hier fiel auch die Entscheidung über „unwertes Leben“ von Häftlingen.

Seinen besonderen Schreckensruf erhielt Waldheim aber erst 1950, als dort fast 3.500 Gefangene mit dem sowjetischen Vermerk eintrafen, es handele sich um Nazi- oder Kriegsverbrecher, die hohe Strafen verdient hätten. Ost-Berlin durfte die Anschuldigungen der Besatzungsmacht nicht anzweifeln, andererseits sollte die gerade erfolgte Integration von NSDAP-Mitgliedern in die SED-Welt nicht an Glaubwürdigkeit verlieren. Bei sehr vielen war die Diskrepanz zwischen tatsächlicher Schuld und den russischerseits geforderten Strafen deutlich erkennbar. Um den Anschein zu wahren, wurden zehn Verfahren öffentlich geführt. Alle anderen, bei denen es sich um ähnliche Delikte handelte, wurden im Eiltempo, ohne weitere Beweise und Zeugen, zumeist auch ohne Verteidiger verhandelt: 146 erhielten „lebenslänglich“, 21 wurden hingerichtet, lediglich sechs entlassen. 1952 ließ Ulbricht eine Überprüfung zu, bei der 997 Verurteilte freikamen. Dennoch blieb Waldheim der große Schandfleck in der DDR-Justiz.

Friedemann Schreiter: Strafanstalt Waldheim. Ch. Links Verlag, Berlin 2014, gebunden, 224 Seiten, 29,90 Euro

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen