© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/14 / 12. September 2014

Herrscher des Übergangs
Wir sind Kaiser: Die Ausstellung „Ludwig der Bayer“ findet an drei Orten in Regensburg statt
Karlheinz Weissmann

Er gehört zu den eher unbekannten Figuren der deutschen Geschichte. Und selbst die Bezeichnung als „Ludwig der Bayer“ – anstelle von Ludwig IV. – hat etwas Deklassierendes. Tatsächlich war sie von päpstlicher Seite festgelegt worden, nach Bann und Exkommunikation, um die Nichtswürdigkeit des einzigen Wittelbachers auf dem römisch-deutschen Thron deutlich zu machen. Daß dahinter keine sachliche Berechtigung stand, sondern Ludwig zu den bedeutenden Herrscherpersönlichkeiten des Mittelalters gehörte, wird in der diesjährigen Bayerischen Landesausstellung „Ludwig der Bayer – Wir sind Kaiser“ deutlich hervorgehoben.

Regensburg bot sich als Ausstellungsort an, da es eine der bedeutendsten Städte in Ludwigs Erblanden war und in den zahlreichen Konflikten, die der bayerische Herzog, römisch-deutsche König und Kaiser austragen mußte, eine wichtige Rolle spielte. Der erste dieser Konflikte hatte seine Wurzel schon in Herkunft und Jugend Ludwigs, der sich nach dem Tod des Vaters mit seinem älteren Bruder Rudolf überwarf. Die Hauptausstellung in der Regensburger Minoritenkirche illustriert das mit einem kurzen Rekurs auf die Grundsätze ritterlicher Erziehung, die nach wie vor galten, und kontrastiert sie mit der Heftigkeit des Kampfes der beiden Herzöge. Zuletzt kam es allerdings zu einem Kompromiß – und zur Einführung einer gemeinsamen Herrschaft.

Faktisch hatte Ludwig durch diese Lösung seine Position gestärkt und nutzte sie, nachdem er 1314 zum König gewählt wurde. Aber auch in diesem Fall mußte er mit starken Widerständen rechnen. Denn eine andere Fraktion unter den Fürsten des Reiches erhob Friedrich von Habsburg. Erneut kam es zum Krieg und noch einmal war Ludwig klug genug, einen Mittelweg einzuschlagen. Jedenfalls bot er auch Friedrich an, mit ihm zusammen die Regentschaft auszuüben; ein Konzept, dessen Funktionstüchtigkeit zu Ludwigs Vorteil kaum auf die Probe gestellt werden mußte, weil Friedrich kurz darauf starb.

Wenn die Stellung Ludwigs auch danach nicht unbestritten war, lag das weniger an den Problemen, die weiterhin mit den Habsburgern und jenen Fürsten bestanden, die den Ausbau der Stellung des Hauses Wittelsbach mit Sorge betrachteten, sondern vor allem daran, daß Ludwig als Kaiser – den Titel führte er seit 1328 – die päpstliche Approbation fehlte.

Das war jedenfalls die Auffassung des Papsttums in Avignon, das in dieser Zeit auf dem Höhepunkt seines Einflusses stand und Ludwig zwang, einen Kampf gegen die Kirche wiederaufzunehmen, der im Grunde seit Jahrhunderten andauerte. Der mischte sich nun aber mit neuartigen Konflikten, die ihren Ursprung im Aufstieg des nationalen Prinzips hatten, das sich dem älteren imperialen entgegenstellte. Das Papsttum in Avignon war eben nicht nur Folge endloser innerkirchlicher Streitigkeiten, sondern auch der Versuch der französischen Krone, die Kirche unter die eigene Kontrolle zu bringen und zum Zweck der Machterweiterung eines Nationalkönigtums gegen den Kaiser zu nutzen.

Daß dieser Kampf zwischen Kaiser und Papst nicht nur eine politische, ökonomische und militärische, sondern auch eine geistige Dimension hatte, illustriert die Ausstellung auf besonders gelungene Weise, indem sie Ludwigs Deckung für den Ketzer Wilhelm von Ockham mit seinen „modernen“ philosophischen Ansichten genauso thematisiert wie die beiden großen Alternativen: Erneuerung des universalen Anspruchs, den Dante und die Ghibellinen nach dem Untergang der Staufer propagierten, oder die Verankerung des Kaisertums in der deutschen Nation, wie sie im Beschluß des Kurvereins von Rhense angelegt war. Darin war fixiert, daß der König beziehungsweise Kaiser von den Kurfürsten zu wählen sei, ohne daß dem Papst ein Mitspracherecht zustand.

Auch wenn diese Auffassung letztlich durchgesetzt wurde und Ludwig sich dem 1346 mit Billigung des Papstes zum König erhobenen Luxemburger Karl von Mähren – dem nachmaligen Karl IV. – nie unterwarf, stand er am Ende seiner langen Regierungszeit als Gescheiterter da. Oder, und das dürfte der Intention der Ausstellung gerechter werden, als eine Figur des Übergangs: Wenig ist so bezeichnend wie die Tatsache, daß Ludwig die letzten Schlachten des Mittelalters schlug, das heißt ohne Einsatz von Feuerwaffen, aber zu den Ausstellungsstücken in Regensburg auch ein zeitgleich verwendetes primitives Gewehr gehört, mit dem die Kriegführung revolutioniert und das Rittertum zu Grabe getragen wurde. Ludwig blieb außerstande, sich vom Alten ganz zu befreien und sich das Neue zum eigenen Nutzen anzueignen.

Auch das hat dazu geführt, daß er nur in der Erinnerungspolitik seines eigenen Hauses weiter eine positive Rolle spielen konnte, als eigentlicher Begründer der Größe Wittelbachs und eines eigenen bayerischen Führungsanspruchs. Eine Reduktion, die dieser tatkräftige und kluge Herrscher nicht verdient hat.

Die Ausstellung „Ludwig der Bayer – Wir sind Kaiser“ ist bis zum 2. November an drei Ausstellungsorten in Regensburg zu sehen: im Gebäude des Städtischen Museums sowie in St. Ulrich und dem Domkreuzgang.

Der informative Katalog (Schnell + Steiner, kartoniert, 368 Seiten, zahlreiche Abbildungen) kostet in der Ausstellung 19 Euro. www.hdbg.de/

Foto: Grabplatte in der Münchner Frauenkirche mit dem Reliefbildnis des Kaisers Ludwig IV.: Einziger Wittelsbacher auf dem Thron

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen