© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  38/14 / 12. September 2014

Geschäftsidee im Handumdrehen
Phänomen „Loom Bands“: Kinder in aller Welt knüpfen Armbänder aus Gummi
Bernd Rademacher

Promis, Politiker und Popstars tragen in dieser Saison einen neuen Modetrend am Handgelenk: Die „Rainbow-Looms“. Die bunten Bändchen werden aus farbigen Gummis gehäkelt. Den aktuellen Sommertrend erfand der Nissan-Ingenieur Cheong Choon Ng aus dem US-Bundesstaat Michigan. Für seine beiden Töchter bastelte er einen Mini-Webrahmen und webte ihnen Armschmuck aus bunten Gummibändern. Die Töchter waren begeistert und fanden ihren Vater „cool“. Das war eigentlich alles, was sich Ng wünschte, doch als die bunten Gummikringel große Kreise zogen, wurde er mit der Vermarktung Millionär. Das rief schnell zahlreiche Nachahmer auf den Plan. Inzwischen läuft schon Fußball-Exzentriker David Beckham mit dem Modegummi am Handgelenk herum.

Neu ist das freilich nicht. Das Handgelenk war schon immer bevorzugter Platz für Schmuck. Von den Kelten, durch das Mittelalter bis zur Belle Epoque haben Armreifen als Modeobjekt jede Strömung überlebt. In den 1970er Jahren waren orthopädische Lederarmbänder unter jugendlichen Mofarockern der letzte Schrei, denen unter der Schulbank mit dem Filzstift liebevoll das Logo von AC/DC oder Kiss appliziert wurde. Punkrock-Designerin Vivienne Westwood machte das Lederarmband mit verchromten Nieten zum Rebellen-Accessoire, von der Industrie heute längst salonfähig gemacht.

Schlagerbarde Wolfgang Petry schuf sich mit der farbenfrohen, aber hygienisch fragwürdigen Variante aus Wolle oder Garn ein Modedenkmal. Während Petrys Lappen heute als geschmacklicher Auffahrunfall gelten, bleiben Freundschaftsbändchen aus Leder unter Backfischen ein robuster Trend. Der Autor Oliver Uschmann untersuchte die soziologische Funktion von Festival-Bändchen, die von den Besuchern oft noch jahrelang nach den „Roskilde“-, „Hurricane“- oder „Wacken“-Festivals getragen werden. Dadurch, so Uschmanns These, identifizieren die Festivalfans gegenseitig potentielle Paarungspartner, mit denen sie so viele Gemeinsamkeiten teilen, daß sie mit dem entsprechenden Gegenüber bereitwillig Ehen eingehen, Kinder zeugen und Reihenhäuser in Neubaugebieten beziehen.

Britische Umweltschützer kritisieren die Haltbarkeit

Kein Wunder also, daß Ngs Familienbetrieb (Vater entwickelt die Produkte, Mutter kümmert sich um die Vermarktung) so erfolgreich wurde. Aber nun droht Unheil! Als korrekter Asiate hat Ng Wert auf Qualität gelegt. Seine Bänder sind in Deutschland TÜV-geprüft und enthalten keine giftigen Substanzen. Doch ultraorthodoxen Umweltschützern reicht das nicht. Amerikanische und britische Initiativen kritisieren, daß die Bänder Silikon enthalten und nicht verrottbar sind. Eine Internetpetition fordert bereits das Verbot der Gummihäkelschlangen. Doch eine englische Recyclingfirma hat angekündigt, ein Wiederverwertungssystem zu entwickeln – allerdings nur, falls der Modetrend weiter anhalte. Erfinder Ng hat dagegen die Flucht nach vorne angetreten und plant bereits die nächste Innovation: ein Set, mit dem Kinder Figuren wie Prinzessinnen oder Piraten aus den Gummiringen weben können.

Eltern bleibt nur zu raten, Ruhe zu bewahren. Jeder Trend geht einmal vorbei, siehe Tamagotchi oder Pokémon. Und wenn die Loom-Bänder eines Tages ein Retro-Revival erleben sollten, können sich unsere Kinder mit dem Spleen der Enkel herumschlagen.

Foto: Trendiger Ausdruck von Zugehörigkeit: Das Handgelenk war schon in vorgeschichtlicher Zeit ein bevorzugter Platz für Schmuck

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