© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/14 / 19. September 2014

Chinas Internetgigant Alibaba geht an die New Yorker Börse
Der gelbe Riese
Markus Brandstetter

Als der chinesische Unternehmer Jack Ma siebzehn Jahre alt war und kaum ein Wort Englisch sprach, radelte er jeden Tag eine Stunde lang zu einem großen Shanghaier Touristenhotel, wo er sich am Eingang aufstellte und ausländischen Touristen kostenlose Stadtführungen anbot. „Mein Englisch war so schlecht“, erzählte er Jahre später, „daß weder ich einen Ausländer verstand noch ein Ausländer mich. Ich habe also mit Ausländern geredet, immer wieder geredet, um mein Englisch zu verbessern.“ Inzwischen kann Jack Ma nicht nur fließend Englisch und wird von jedem verstanden, sondern ist auch auf dem besten Weg, in ein paar Wochen der Reichste aller Chinesen zu werden.

Jack Ma ist nämlich der Chef des chinesischen Internetriesen Alibaba. Der Konzern ist für China all das unter einem Dach, was das Internetauk­tionshaus Ebay und der Internetversandhändler Amazon für den Rest der Welt sind: zwei Giganten, die fast die Hälfte aller Geschäfte in ihren Märkten abwickeln. Alibaba wurde 1998 in der chinesischen Stadt Hangzhou von Jack Ma und siebzehn Freunden in Mas Wohnzimmer gegründet, der Gründer hat am Anfang so wenig Geld, daß er sich das Startkapital von seiner Frau und deren Familie leihen mußte.

Heute zählt die Gruppe 24.000 Mitarbeiter und verfügt über einen Jahresumsatz von fast sechs Milliarden Euro – das ist zwar weniger als Ebay mit einem Jahresumsatz von knappen 13 Milliarden Euro und viel weniger als Amazon, wo man unerhörte 58 Milliarden Euro im letzten Jahr umgesetzt hat –, aber dafür spielt Alibaba in China die allererste Geige.

Und China ist nicht nur das bevölkerungsreichste Land der Welt, sondern auch das mit der zweitgrößten Volkswirtschaft (noch nach den USA) und den seit zwei Jahrzehnten durchgängig stärksten Wachstumsraten. Alibaba dominiert einen Markt, auf dem Google, Facebook, Ebay und Amazon wegen kultureller und politischer Barrieren nicht existieren. Vier Fünftel aller Online-Käufe in China, die von Handys aus getätigt werden, laufen über Alibaba, weshalb der britische Economist das Unternehmen auch als den „größten Basar der Welt“ bezeichnet hat. Dieser Gigant will nun in New York den größten Börsengang aller Zeiten inszenieren. An den Erfolg glauben viele, denn die Aktie ist bei einem geplanten Ausgabepreis von über 70 US-Dollar heute schon dreifach überzeichnet. An die 25 Milliarden Euro will der chinesische Internetriese bei seinem Börsengang einnehmen, mehr als Facebook und Twitter zusammen.

Der kluge Investor wird vorsichtig bleiben. Alibaba besitzt eine sehr komplexe Firmenstruktur, das ganze Unternehmen besteht aus mehrfach ineinander verschachtelten Beteiligungen. Der Konzerngründer Jack Ma ist bei aller Genialität als ein unberechenbarer Taktiker bekannt, der heute das eine sagt und morgen schon etwas ganz anderes tut.

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