© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/14 / 26. September 2014

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Szenen einer Ehe
Paul Rosen

Bella gerant alii, tu felix Austria nube.“ – „Kriege mögen andere führen, du, glückliches Österreich, heirate.“ Diese Weisheit aus dem alten Habsburgerreich hat ihre Gültigkeit bis heute nicht verloren. Selbst in der deutschen Innenpolitik ist sie anwendbar. Standen sich Politiker und Journalisten zu Bonner Zeiten beinahe unversöhnlich gegenüber und beäugten sich mißtrauisch, so wird in der Berliner Republik untereinander geheiratet.

Der bekannteste Fall ist Bundespräsident Joachim Gauck. Der erste Mann im Staate lebt mit der Journalistin Daniela Schadt zusammen. Schadt war Leitende Politik-Redakteurin der Nürnberger Nachrichten. Führende Vertreter der damaligen rot-grünen Regierung ehelichten Journalistinnen: Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) heiratete Doris Köpf (Focus). Und sein grüner Außenminister hat gleich zwei Journalistinnen auf der Liste seiner Ehefrauen: Claudia Bohn und Nicola Leske. Die Grünen-Politikerin Kerstin Müller ist mit dem Journalisten Klaus Schrotthofer (Neue Westfälische) liiert.

Der frühere nordrhein-westfälische Grünen-Minister und heutige Generaldirektor des Olympischen Sportbundes, Michael Vesper, ist mit Ferdos Forudastan verheiratet. Die Journalistin war bei der taz und der Frankfurter Rundschau und ist heute Sprecherin des Bundespräsidialamtes, wo sie mit Frau Schadt journalistische Erlebnisse austauschen kann. FDP-Chef Christian Lindner heiratete die Zeit-Journalistin Dagmar Rosenfeld. Und die kürzlich zurückgetretene Kieler Oberbürgermeisterin Susanne Gaschke war bei der Zeit und ist Ehefrau des SPD-Bundestagsabgeordneten Hans-Peter Bartels. Nico Fried ist Parlamentskorrespondent für die Süddeutsche Zeitung und mit der früheren SPD-Abgeordneten Nina Hauer verheiratet. Frieds Aufgabengebiet bei der SZ: SPD-Berichterstattung.

Niemand stellte in all diesen Fällen die Frage nach Interessenkonflikten oder nach der Distanz der „vierten Gewalt“ zu den Herrschenden. Bis die Alternative für Deutschland (AfD) in die Parlamente kam. Plötzlich war in der taz zu lesen, daß Alexander Gauland, der Spitzenkandidat der AfD in Brandenburg, eine Lebensgefährtin hat, die Journalistin bei der Märkischen Allgemeinen Zeitung (MAZ) in Potsdam ist. Dort schreibt Carola Hein über Lokalpolitik, und nebenbei hilft sie Gauland beim Bürokram. Die taz hält es für ein Problem, daß die MAZ „von Heins privater Verbindung zur AfD weiß, aber sie nicht konsequent aus der politischen Berichterstattung heraushält“.

Damit verlangt die taz einen Maulkorb für Journalisten – oder um einen Begriff von früher aufzugreifen: Berufsverbot. Ziffer sechs des Presskodex, so berichtet die taz weiter, schreibe die Trennung von politischen Funktionen und journalistischen Tätigkeiten vor. Die taz zitiert Edda Eick, Referentin des Deutschen Presserates, zu Frau Hein: „Die Zeitung hätte sie aus der politischen Berichterstattung heraushalten müssen.“ Da hätten die Medien aber eine Menge zu tun, wenn sie sich an diesen Ratschlag halten würden.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen