© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/14 / 26. September 2014

Geheimnisvolle Handelsgeschäfte
CETA: Still und heimlich soll das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen diese Woche in die Tat umgesetzt werden
Christian Schreiber

Das geplante Freihandelsabkommen TTIP, welches zwischen den Ländern der Europäischen Union und den USA in Kraft treten soll, ist in aller Munde. Eher unbeachtet blieb bislang die Blaupause der Vereinbarung. Unter dem Namen CETA soll ein ähnlicher Vertrag zwischen der EU und Kanada verabschiedet werden. Durch eine Indiskretion tauchte der Inhalt unlängst auf einer globalisierungskritischen Internetseite auf, und nun ist die Aufregung groß. Kritiker befürchten eine Aushöhlung des demokratischen Prinzips, eine Schwächung der verfassungsmäßigen Gerichtsbarkeit. So könnten Klauseln zum Schutz ausländischer Investoren Staaten unter Druck bringen: Firmen könnten auf die Idee kommen, nach der Verschärfung zum Beispiel von Umweltstandards vor internationalen Schiedsgerichten Entschädigung zu verlangen. In der Tat findet sich im CETA-Abkommen ein entsprechender Passus.

In Brüssel und Straßburg stoßen Vorbehalte, die vor allem von seiten der Bundesregierung vorgebracht wurden, auf taube Ohren. Die Verhandlungen seien abgeschlossen, Nachbesserungsbedarf sei nicht vorhanden. Die Süddeutsche Zeitung hatte am Wochenende berichtet, daß die Bundesregierung schriftlich bei der EU-Kommission interveniert habe. So sei das Kapitel zum Investitionsschutz „in der vorliegenden Textfassung für DEU nicht zustimmungsfähig“, heißt es in dem Protokoll, aus dem das Blatt zitiert. Dahinter steckt die Befürchtung, die Bundesregierung könne für den Fall neuer Schuldenschnitte oder Bankenabwicklungen die EU oder einzelne Mitgliedstaaten haftbar gemacht werden können, heißt es in dem Papier.

Le Pen und Beppe Grillo kritisieren „Idioten“-Werk

Auch die Tatsache, daß US-Investoren offenbar nur eine Dependance in Kanada benötigen, um der Schiedsgerichtsbarkeit nach CETA zu unterliegen, stößt auf Widerspruch. Die Bundesregierung schrieb daher, es bestehe in verschiedenen Bereichen noch Handlungsbedarf, „auch mit Blick auf ihre Präzedenzwirkung für TTIP.“ Allerdings steht Deutschland bei dem Kampf offenbar alleine auf weiter Flur. Große EU-Mitglieder wie Frankreich wollen dem Abkommen wohl zustimmen, lediglich die Opposition an den Rändern des politischen Spektrums macht mobil. „Inakzeptabel, unsouverän, unmoralisch“, äußerte sich Marine Le Pen, Vorsitzende des französischen Front National. Der italienische Oppositionsführer Beppe Grillo, von der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung wertet CETA als eindeutigen „Beleg“ dafür, daß in der Europäischen Union nur „Idioten am Werk“ sind. Seine Regierung um den Sozialdemokraten Matteo Renzi will allerdings zustimmen, „die Vorteile für Italien und die EU liegen auf der Hand. Wir können vom kanadischen Markt profitieren.“

Mittlerweile ist allerdings unklar, welchen rechtlichen Charakter CETA überhaupt hat. Die EU-Kommission geht davon aus, daß der Vertrag paraphiert werden müsse. Demnach würde eine Verabschiedung durch die jeweiligen Verhandlungspartner ausreichend – bei völkerrechtlichen Vorgängen ein übliches Procedere.

Der Abschluß solle beim EU-Kanada-Gipfel am 26. September in Ottawa per Erklärung verkündet werden und damit sofort rechtliche Wirkung entfalten. Die Bundesregierung geht dagegen davon aus, daß neben dem Bundestag auch alle anderen 27 EU-Parlamente zustimmen müssen. Dies könnte dann vielleicht doch noch das Ende von CETA bedeuten.

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