© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/14 / 26. September 2014

Keimzelle einer EU-Finanzregierung
Währungskrise: Der dauerhafte Euro-Rettungsschirm soll mehr Kompetenzen erhalten und Pleitebanken direkte Finanzspritzen verabreichen
Wolfgang Philipp

Den permanenten Euro-Rettungsschirm sehen viele Euro-Skeptiker als Auswuchs des „Euro-Schattenstaats“ (Thomas Mayer, JF 43/13), der heimlich hinter Fiskalpakt und EZB als Zentralbank im Euro-Raum heranreift. Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, will die Bundesregierung nun die Kompetenzen des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) deutlich ausweiten. Im deutschen Bundestag stehen dazu zwei Änderungsgesetze auf der Tagesordnung.

Strauchelnde Banken reißen Schuldenstaaten mit

Danach soll der ESM in allen Staaten der Euro-Zone insolvenzbedrohte Banken unmittelbar durch Geldleistungen bis 60 Milliarden Euro „direkt rekapitalisieren“ dürfen. Bisher erlaubte Artikel 15 des ESM-Vertrages dem Gouverneursrat lediglich, „Finanzhilfen mittels Darlehen an ein ESM-Mitglied speziell zu Zwecken der Rekapitalisierung von Finanzinstituten dieses ESM-Mitgliedes zu gewähren.“ Das Land mit der Pleitebank schuldete also dem ESM die Rückzahlung der Finanzhilfen. Dadurch war die Gefahr groß, daß strauchelnde Großbanken auch die überschuldeten Euro-Länder mit in den Abgrund rissen.

Ein Beispiel: Spanien bat 2012 um finanzielle Hilfen für seinen maroden Bankensektor. Die Euro-Gruppe gewährte 100 Milliarden Euro über eine Laufzeit von 18 Monaten, wovon Spanien 41,5 Milliarden tatsächlich in Anspruch nahm. Die Rettungshilfen, die noch über den temporären Rettungsschirm EFSF liefen, wurden schließlich in den ESM überführt, wobei das mit fast einer Billion Euro überschuldete Spanien erst 1,3 Milliarden zurückgezahlt hat.

Zypern steht beim ESM, der nach dem Beitritt Lettlands 2014 über ein Stammkapital von 702 Milliarden Euro verfügt, bislang mit 5,4 Milliarden Euro in der Kreide. Die Gesetzesänderung soll nun die Pleitestaaten bei der Bankenrettung aus der Verantwortung nehmen und die Haftung vergemeinschaften. „Krisen im Banksektor eines Mitgliedsstaates“ könnten auf diese Weise stärker „von einer Krise der öffentlichen Haushalte“ entkoppelt werden, heißt es in der Begründung der Bundesregierung.

Den Abgeordneten streut sie dabei Sand in die Augen: „Das Außmaß der Haftung Deutschlands wird durch die Einrichtung des neuen Instruments der direkten Rekapitalisierung von Finanzinstituten nicht geändert. Es ist gemäß Artikel 8 Absatz 5 des ESM-Vertrages unter allen Umständen auf den deutschen Anteil am genehmigten Stammkapital des ESM begrenzt.“

Kein großer Knall, sondern ein totalitäres Gebilde

In ihrem Monatsbericht vom August 2014 befaßt sich die Geschäftsführung des ESM bereits mit der künftigen direkten Bankrekapitalisierung. So kommt die Rekapitalisierung nur dann in Frage, wenn das Überleben der Bank von Kapitalhilfen abhängt und sie unfähig ist, Kredite von privaten Geldgebern zu erhalten. Die Gewährung von Darlehen hat in diesem Falle keine Aussicht auf Erfolg, weil eine angeschlagene Bank bereits über zuviel Fremdkapital in der Bilanz verfügt. Wer überschuldet ist, dürfte durch weitere Kredite kaum saniert werden. Eher wird ihm die Luft zum Atmen noch stärker abgedrückt. Bleibt den Bankenrettern lediglich übrig, Eigenkapital in die Pleitebanken einzuspeisen. Als Gegenleistung erhielte der ESM „faule“ Bankaktion – mit allen Rechten und Risiken.

Faktisch wächst dadurch die Macht der in Luxemburg ansässigen Institution, an der Deutschland mit 190 Milliarden Euro 27 Prozent der Anteile am Stammkapital hält. Der ESM könnte damit nicht nur zur größten „Bad Bank“ der Welt denaturieren, sondern auch die Keimzelle einer neuen EU-Finanzregierung bilden – wie Kritiker zu Recht monieren.

Mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sitzt im Gouverneursrat ohnehin ein expliziter Befürworter eines europäischen Bundesstaates, der schon häufiger deutlich gemacht hat, daß europäische Institutionen wie die EZB oder der ESM nicht deutschen Interessen zu dienen hätten. Die Euro- und Staatsschuldenkrise wird gerade deshalb nicht in einen Bankencrash münden, weil die Politiker ihn mit Hilfe von Rettungsschirmen mit allen Mitteln auf Kosten der Steuerzahler zu vermeiden suchen. Eher wird es so kommen, wie es der libertäre Ökonom Jörg Guido Hülsmann kürzlich im Interview mit der Netzzeitung Freie Welt vorhergesagt hat: „Am Ende steht kein großer Knall, sondern ein totalitäres Gebilde, dessen Konturen langsam deutlich werden.“

Foto: Weltgrößte „Bad Bank“: Der ESM-Vertrag hat das Bail-out-Verbot ausgehebelt; für die Rettung maroder Banken in Südeuropa haftet nun auch der deutsche Steuerzahler

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