© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/14 / 03. Oktober 2014

Flächendeckender Nachholbedarf
Innere Sicherheit: Die Forderung nach mehr Einwanderern bei der Polizei ist populär, doch von den eigenen Zielvorgaben sind die Politiker noch weit entfernt
Christian Schreiber

Die Forderung, Einwanderer für den Polizeidienst anzuwerben, ist nicht neu. In den vergangenen Wochen haben erneut Politiker verschiedener Parteien dafür plädiert, Bürger mit Migrationshintergrund gezielt für die Polizei anzusprechen. Davon verspricht sich die Politik Vorteile bei der Prävention und der Verbrechensbekämpfung – gerade in multikulturellen Problemvierteln.

Der Mediendienst Integration hat nun eine Studie veröffentlicht, um zu klären, inwieweit dieser Prozeß bereits fortgeschritten ist. Dabei gehe es ausdrücklich nicht um den Anteil von Ausländern im öffentlichen Dienst, sondern von Menschen aus Einwandererfamilien. Als Personen mit Migrationshintergrund werden statistisch alle Bürger erfaßt, die nach 1949 in die heutige Bundesrepublik eingewandert sind, sowie alle hier geborenen Ausländer. Auch Eingebürgerte gehören dazu, ebenso wie alle Deutschen mit mindestens einem zugewanderten oder ausländischen Elternteil.

Über den Anteil von Menschen aus Einwandererfamilien im Polizeidienst und bei den Verfassungsschutzämtern lasse sich bis heute keine allgemeine Aussage treffen, da er nicht konsequent erfaßt werde. Einige Länder böten jedoch Zahlen über Bewerber, Auszubildende oder sogar alle Mitarbeiter mit Migrationshintergrund im Polizeidienst und beim Verfassungsschutz an.

Deutlicher Anstieg in Berlin und Niedersachsen

Die Studie kommt zu dem Ergebnis, „daß die Anteile der Mitarbeiter in der Polizei, die einen Migrationshintergrund aufweisen, bei weitem nicht denen in der Bevölkerung entsprechen“. Allerdings zeigten die vorliegenden Ergebnisse, daß der Anteil von Menschen aus Einwandererfamilien kontinuierlich steige, vor allem dort, wo Werbemaßnahmen und andere Bemühungen stattfänden.

Lediglich drei Bundesländer verfügen derzeit über Analysen zum Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund im gesamten Polizeidienst: Mecklenburg-Vorpommern (0,4 Prozent), Rheinland-Pfalz (2,5 Prozent) und Niedersachsen (3,2 Prozent). Wie sich der Anteil von Menschen aus Einwandererfamilien unter den Bewerbern und Neueinstellungen entwickelt hat, weisen mit Hamburg, Berlin, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein immerhin sechs Bundesländer aus. In diesen sechs Ländern finden seit einigen Jahren Maßnahmen statt, um den Anteil von Nachwuchskräften aus Einwandererfamilien zu erhöhen: „Wie die Statistik zeigt, führen sie fast immer zu einem kontinuierlichen Anstieg“, heißt es in der Studie. In Berlin und Niedersachsen konnte der Anteil durch die Werbemaßnahme in den vergangenen Jahren soweit gesteigert werden, so daß er seit 2013 ihrem Anteil in der Bevölkerung entspricht.

Immerhin 12 von 16 Bundesländern seien mittlerweile dabei, weitere Werbemaßnahmen einzuleiten, auch um einem Nachwuchsmangel bei Polizei und Verfassungsschutz entgegenzuwirken. Allein Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Thüringen sprechen Nachwuchs aus Einwandererfamilien nicht gezielt an.

Länder werben mit mehrsprachigen Broschüren

Von den neuen Bundesländern, mit Ausnahme Berlins, wirke lediglich Sachsen-Anhalt in seiner Öffentlichkeitsarbeit gezielt darauf hin, was allerdings damit zu erklären ist, daß der Ausländeranteil in Mitteldeutschland im Vergleich zum Bundesdurchschnitt gering ist.

Bei den Rekrutierungsbemühungen werde allerdings mit unterschiedlicher Intensität vorgegangen. In Hamburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein wurden mehrsprachige Informationsbroschüren erstellt, andere Länder wie Berlin, Bremen oder das Saarland seien Kooperationen mit Migrantenvereinen eingegangen. In Hamburg, dem Saarland und Schleswig-Holstein wurden zusätzlich Einstellungsberater mit Migrationshintergrund eingesetzt. Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen würden dagegen nur Informationen auf einer Internetseite anbieten, was angesichts der Bevölkerungsstärken dieser Länder bedauerlich sei. Die Studie bemängelt zudem, daß dem Bundes-innenministerium weder Zahlen vom Verfassungsschutz, Bundeskriminalamt noch von der Bundespolizei vorliegen würden. So lautet das Fazit denn auch, daß insgesamt noch großer Nachholbedarf bestehe.

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