© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/14 / 03. Oktober 2014

Mit Trotz und Ignoranz
Bundeswehr: Die eklatanten Ausrüstungsmängel der Armee setzen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) unter Druck
Paul Rosen

Einen Krieg kann diese Bundeswehr nicht beginnen, aber auch keinen großen Einsatz vom Kaliber des Afghanistan-Mandats mehr. Vermutlich sind nicht einmal mehr humanitäre Einsätze in größerem Umfang möglich. Die frühere EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann kann mit ihrer Forderung nach Abschaffung der Bundeswehr zufrieden sein: Wie bei einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung ist Deutschland auf dem Weg zur Demilitarisierung und kann den Bündnisverpflichtungen nicht mehr nachkommen.

Die Fakten sind dramatisch. Von den Marinehubschraubern Sea Lynx sind 18 beschädigt, nur vier können derzeit fliegen. Beim Marinehubschrauber Sea King sieht es nicht besser aus: Drei der 21 Hubschrauber funktionieren. Besonders schlimm: vor einigen Jahren reichten noch 50 Stunden Reparatur und Inspektion, um den Sea King eine Stunde fliegen zu lassen. Heute sind 120 Stunden erforderlich. Der Hubschrauber ist damit schrottreif. 56 von den zum erstenmal 1967 gestarteten Transall-Transportflugzeugen hat die Bundeswehr noch. 21 sind flugfähig. Bei politisch wichtigen Einsätzen fliegen gleich mehrere Ersatzmaschinen hinterher, um eine Hilfslieferung sicherzustellen. Motto: Ein Flugzeug wird schon durchkommen.

Von den 109 Eurofighter-Kampfflugzeugen sollen nur noch 42 einsatzbereit sein, nach einem internen Papier des Verteidigungsministeriums sogar nur acht. Dabei handelt es sich um neue Maschinen. Die technischen Probleme hat Hersteller EADS nie in den Griff bekommen. Die Zusage an die Nato (ständig 60 Maschinen) ist damit unerfüllbar. Die älteren Kampfflugzeuge sind auch kaum zu gebrauchen: Von den 89 Tornados sind 36 startklar. Der für den Truppen- und Lastentransport wichtige Hubschrauber CH 53 ist fast nur am Boden: 16 von 83 Maschinen sollen starten können, nach anderen Berichten sind es sogar nur sieben. Von 31 neuen Tiger-Kampfhubschraubern funktionieren gerade noch zehn. Und vom Hubschrauber NH 90, der schon jahrelang auf sich warten ließ, können gerade acht von 33 Maschinen abheben. Beim Patriot-Luftabwehrsystem geht fast nichts: Von den 13 Systemen (1985 in Dienst gestellt) sind weniger als die Hälfte einsatzbereit. Beim Heer müssen die Soldaten gut zu Fuß sein: Von 180 neuen Transportfahrzeugen des Typs Boxer fahren noch 70.

„Langfristig fahren wir gegen die Wand“

Als Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) in den Irak flog, konnte die Bundeswehr wegen Schäden am Fluggerät die Waffen, die von der Leyen übergeben wollte, nicht rechtzeitig bringen – Motorschaden und undichte Treibstoffleitungen. Die Fallschirmjäger, die die Kurden an den Milan-Panzerabwehrwaffen ausbilden sollten, blieben in Bulgarien stecken, weil ihr Flugzeug einen Schaden hatte und die Iraker die Ersatzmaschine zunächst nicht in ihren Luftraum lassen wollten. In Berlin fragen sich die Experten längst, ob die uralten Milan-Waffen für die Kurden (sie wurden ab 1977 an die Bundeswehr ausgeliefert) überhaupt noch funktionieren.

Die deutsche Politik reagiert mit einer Mischung aus Trotz und Ignoranz auf die Probleme. Auf die Frage der Bild-Zeitung, ob sich Deutschland zum Gespött der internationalen Gemeinschaft mache, antwortete von der Leyen: „Nein.“ Dabei ist das längst passiert. Die Ministerin, deren frischer Amtslack blättert wie die Farbe von einem Bundeswehr-Fahrzeug, schiebt der Industrie die Schuld in die Schuhe: „Wir warten seit mehr als vier Jahren auf das neue Großraumflugzeug A 400 M, auf neue Hubschrauber, und die Industrie kann nicht liefern.“ Das ist nachweisbar falsch. Die Flugzeuge und Hubschrauber sind zu spät bestellt worden. Teilweise wurden zusätzliche Sonderausstattungen während der Produktionsphase verlangt, die technisch nicht ausgereift waren. In der Praxis funktionierte dann das Gerät nicht. Außerdem reicht es nicht, ein neues Transportflugzeug hinzustellen, wenn die zu transportierenden Fahrzeuge nicht funktionieren, weil es keine Ersatzteile gibt.

Zynisch hört sich die Aussage des Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen (CDU) zu den Materialproblemen an. Er sagte, entscheidend sei, daß Deutschland „politisch absolut zuverlässig“ sei. Und das sei der Fall. Dagegen zweifelt der verteidigungspolitische Sprecher der CSU, Florian Hahn, an der Wehrfähigkeit Deutschlands: „Langfristig fahren wir gegen die Wand.“ Aber die CSU ist politisch weitgehend einflußlos.

Trotz Kenntnis des Zustandes der Truppe hatte von der Leyen mit der von ihr bekannten Kreativität zum Entwickeln von Aufgaben für andere Leute immer neue Ziele für die Bundeswehr entdeckt und läßt sie jetzt sogar Waffen in Krisengebiete liefern, was jahrzehntelang ein Tabu war. Schon auf der jüngsten Münchener Sicherheitskonferenz hatte sie mehr Engagement angekündigt: „Gleichgültigkeit ist für ein Land wie Deutschland keine Option, weder aus sicherheitspolitischer noch aus humanitärer Sicht.“ Diese Worte fallen auf die CDU-Politikerin, die so gerne Kanzlerin werden möchte, zurück. Eigentlich ist sie als Hochstaplerin entlarvt und abgestempelt.

Foto: Ursula von der Leyen (CDU) in einer einsatzbereiten Transall auf dem Weg in den Irak: Der frische Amtslack blättert

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