© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/14 / 03. Oktober 2014

Turbulenzen in Potsdam
Alternative für Deutschland: Innerhalb weniger Tage verliert die gerade erst konstituierte Landtagsfraktion in Brandenburg zwei Mitglieder
Marcus Schmidt

Den Start seiner Partei in den Brandenburger Landtag hat sich Alexander Gauland anders vorgestellt. Nach dem Erfolg der Alternative für Deutschland bei der Landtagswahl am 14. September kam in der vergangenen Woche die erste kalte Dusche für den frischgewählten Fraktionsvorsitzenden.

Am Mittwoch vergangener Woche erreichte Gauland der Brief des AfD-Abgeordneten Stefan Hein. Darin teilte er mit, er werde sein Mandat nicht annehmen. Zugleich legte Hein, der auf Platz zehn der Landesliste kandidiert hatte, sein Amt als Beisitzer im Landesvorstand nieder. Das vorläufige Ende einer gerade erst hoffnungsvoll gestarteten politischen Karriere.

Hein war zum Verhängnis geworden, daß er gegenüber dem Spiegel Parteiinterna ausgeplaudert hatte. Das Magazin hatte in einem Artikel behauptet, ein Gauland-Vertrauter plane, einige Abgeordnete wegen ihrer „rechtspopulistischen oder rechtsextremistischen“ Vergangenheit aus der Fraktion zu drängen. Namentlich genannt wurden die AfD-Politiker Thomas Jung, Steffen Königer, Rainer van Raemdonck und Sven Schröder.

Gauland hatte den Bericht umgehend dementiert und als „Unsinn“ bezeichnet. In einer am vergangenen Donnerstag nach einer Sondersitzung der Fraktion veröffentlichten Erklärung der Partei heißt es, Hein habe ohne Kenntnis und Mitwirkung anderer Mitglieder der Fraktion gehandelt. Sämtliche von Hein in einer E-Mail an den Spiegel aufgestellten Behauptungen seien falsch. „Weder hat es je Bestrebungen seitens der Fraktion gegeben, einzelne Abgeordnete zum Verzicht auf ihr Mandat zu bewegen noch hat es Erwägungen gegeben, anonyme Anzeigen gegen zukünftige Abgeordnete zu erstatten, noch hat, wie behauptet, ein kleines Team damit begonnen, die Vergangenheit einzelner zukünftiger Abgeordneter zu durchforschen“, teilte die Brandenburger AfD mit.

Hein, der Sohn von Gaulands Lebensgefärtin, äußerte sein Bedauern über den Vorgang. Er habe durch die Mail an den Spiegel sicherstellen wollen, daß alles Material, was die Arbeit in der AfD-Fraktion möglicherweise belasten könnte, auf den Tisch komme und die inhaltliche Arbeit ohne Altlasten starten könne. „Ich habe einen Fehler gemacht, für den ich vollumfänglich geradestehe“, sagte er der JUNGEN FREIHEIT. Er sei stolz darauf, was die Partei im Landtagswahlkampf geleistet habe. „Das schließt explizit auch die genannten Kollegen ein.“

Kaum war der Fall Hein geklärt, folgte der nächste Schlag. Kurz nachdem der auf Platz zwölf der Landesliste stehende Jan-Ulrich Weiß als Nachrücker feststand, verbreitete sich über Twitter ein Bild von dessen Facebook-Profil, das Weiß zu diesem Zeitpunkt bereits gelöscht hatte. Das Bild zeigte den jüdischen Bankier Jacob Rothschild und unter anderem den Satz: „Wir steuern deine Nachrichten, Medien, Öl und deine Regierung.“ Gauland reagierte umgehend: „Das ist eine Karikatur im Stil des Stürmers“, sagte er. Bei einem Treffen mit Weiß machte Gauland diesem deutlich, daß er keine Zukunft in der AfD-Fraktion habe. Weiß will sein Mandat dennoch annehmen. Am Montag entschied die AfD-Fraktion, Weiß nicht aufzunehmen. Zugleich wurde ein Parteiausschlußverfahren gegen ihn eingeleitet.

Künftig sitzt Weiß also als fraktionsloser Abgeordneter im Potsdamer Stadtschloß, dem Sitz des Landtages. Oder doch nicht? Anfang der Woche wurde darauf hingewiesen, daß Hein noch gar nicht rechskräftig auf sein Mandat verzichtet hat. Gauland bleibt dennoch bei seiner Haltung. Hein habe etwas „Unverzeihliches“ begangen und Mitgliedern der Fraktion Schaden zugefügt, sagte er der JF. Daher werde die Fraktion entsprechende Überlegungen zu einem Rückzug Heins vom Mandatsverzicht nicht befördern.

Eine Entscheidung Heins, ob er das Mandat dennoch annimmt, wird für Ende der Woche erwartet.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen