© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/14 / 10. Oktober 2014

Zurück auf der Tagesordnung
Euro-Krise: Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg verhandelt über den Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB
Taras Maygutiak

Falls notwendig werde die Europäische Zentralbank (EZB) unbegrenzt Staatsanleihen aufkaufen. Diese Ankündigung von EZB-Chef Mario Draghi hatte im Sommer 2012 ausgereicht, die Märkte zu beruhigen. Die hohen Zinsen, die einige angeschlagene Staaten bis dahin hatten zahlen müssen, um neue Schulden aufzunehmen, sanken.

Wenige Wochen später wurde das OMT-Programm (Outright Monetary Transactions) aus der Taufe gehoben, um die Staatsanleihenankäufe möglich zu machen. Ob das OMT-Programm rechtmäßig ist, wird am kommenden Dienstag vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg verhandelt. Bereits im Juni 2013 hatte sich das Bundesverfassungsgericht in einer mündlichen Verhandlung mit der Angelegenheit befaßt. Im Februar dieses Jahres gab Karlsruhe den Schwarzen Peter dann an den EuGH weiter. Zuvor hatte das Verfassungsgericht festgestellt, daß Draghis OMT-Programm den Europäischen Verträgen widerspreche.

Warnung vor Gefahr für die Demokratie

Sowohl Kläger als auch beinahe alle Wissenschaftler, die in Karlsruhe als Sachverständige aufgetreten waren, hatten kein gutes Haar am OMT-Programm gelassen. Zudem herrschte die beinahe einhellige Meinung im Gerichtssaal, daß der Staatsanleihenankauf durch die Zentralbank keinesfalls das richtige Mittel sei. Moniert wurde seinerzeit, daß der EZB die Kompetenz für ihre Rettungspolitik fehle und daß sie das Verbot der Staatsfinanzierung verletze. Während die EZB sich im Glanze ihres Erfolges sonne und die Medien deren Präsidenten als eine Art Euro-Supermann feierten, nehme die Öffentlichkeit teilnahmslos hin, daß bei dieser Art von Euro-Rettung die Demokratie vor die Hunde gehe, beklagte der Freiburger Staatsrechtler Dietrich Murswiek, Prozeßbevollmächtigter des CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler, einer der zahlreichen Kläger.

Mit ihrem OMT-Programm ermächtige sich die EZB selbst, etwas zu tun, was in keinem demokratischen Staat der Welt ohne Zustimmung eines Parlamentes möglich wäre: einen unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen, der „Hunderte von Milliarden, möglicherweise Billionen Euro an Steuergeldern anderer, von diesem Ankaufsprogramm nicht begünstigter Staaten ins Risiko stellt“. Das OMT sei ein Programm der Vergemeinschaftung von Staatsschulden, aus der Währungsunion mache die EZB eine Haftungsunion, so Murswiek. „Die Folge kann die gigantischste Vermögensumverteilung sein, die es in der Geschichte der Europäischen Union gegeben hat – beschlossen von einem Gremium ohne jede demokratische Legitimation“, warnte er.

Ziemlich einsam stand der damalige EZB-Direktor Jörg Asmussen da: „Das Ziel von OMT ist nicht, Staatsinsolvenz zu vermeiden“, beteuerte er. Er sprach von einem „normalen Instrumentarium“, mit dem man der Geldpolitik zur Durchschlagskraft verhelfen wolle. Die anderen Ökonomen sahen das anders: Der Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, sprach von „einer versteckten Staatsfinanzierung.“ Daß die EZB ihre Staatsanleihenankäufe auch mit einer „geldpolitischen Transmission“ (Entscheidungen, die sich auf die Wirtschaft auswirken) begründete, beurteilte Sinn so: „Ganz ehrlich, ich halte den Begriff Transmission für eine Chimäre, erfunden von Jean-Claude Trichet.“

Ein hartes Verbot durch das Bundesverfassungsgericht hatte auch der Ökonomieprofessor und Kläger Joachim

Starbatty nach der mündlichen Verhandlung für wenig wahrscheinlich gehalten. Er hatte damals auf eine „elegante Lösung“ gehofft. Und zwar, daß Karlsruhe der Bundesbank selbst die Entscheidungsmacht überträgt, an den Käufen teilzunehmen oder eben auch zu verweigern. Daß das Bundesverfassungsgericht die Angelegenheit nach Luxemburg verwies, bewertete der ehemalige Verfassungsrichter Udo Di Fabio in einem Artikel bei finanzen.net so: „Ehe das Verfassungsgericht feststellt, daß ein EU-Organ seine Kompetenzen überschreitet, muß es dem EuGH Gelegenheit geben, dem Einhalt zu gebieten.“

Bundesbank zum Widerstand aufgerufen

Wie eine Lösung aussehen könnte, hatte Karlsruhe bereits vor der Verweisung an den EuGH beschrieben: Staatsanleihenankäufe könnten beispielsweise begrenzt werden. Darüber hinaus könnte der Zentralbank ein bevorrechtigter Gläubigerstatus gewährt werden, der sie vor den Auswirkungen eines Schuldenschnitts schützen würde. Wenn der EuGH den Empfehlungen aus Karlsruhe nicht folgen sollte, geschieht allerdings erst einmal nicht viel. Der EuGH spreche kein Recht, das von Karlsruhe akzeptiert werden müsse, so Di Fabio. Die Bundesbank und auch alle anderen staatlichen Einrichtungen müßten alles in ihrer Kraft Stehende tun, um das OMT-Programm zu verhindern, wenn die EZB tatsächlich konkrete OMT-Käufe beschließen sollte.

Letztendlich hat der Fall nun zu einer Konfliktsituation zwischen dem höchsten deutschen und dem höchsten europäischen Gericht geführt. Beobachter halten es durchaus für denkbar, daß der EuGH in Luxemburg Draghis OMT-Programm durchwinkt, auch um damit die Rechtslage in der EU neu zu beschreiben.

Foto: Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle bei der mündliche Ver-handlung: Dem EuGH den Schwarzen Peter zugesteckt

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