© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/14 / 10. Oktober 2014

Euro-Zone an neuem Abgrund
Schrottanleihen: Die EZB will vergiftete Papiere aufkaufen und riskiert damit eine neue Finanzkrise wie 2008
Christian Schreiber

Sie war aus dem öffentlichen Bewußtsein fast schon verschwunden, doch jetzt meldet sich die europäische Finanzkrise mit aller Macht zurück. Zwar war der Euro-Kurs in den vergangenen Wochen relativ stabil, die Inflation ausgesprochen niedrig. Zu niedrig, wie Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) findet.

Denn in seinem Heimatland Italien und auch in Frankreich kommt die Wirtschaft überhaupt nicht in Schwung. Die Angst vor einem Zusammenbruch dieser zwei großen Volkswirtschaften ist allgegenwärtig, von den Problemen in Griechenland und Zypern ganz zu schweigen. In der vergangenen Woche hat sich die EZB nun zu einem höchst spektakulären Manöver entschieden. Sie will Banken durch den Kauf von Kreditpaketen entlasten und ist dabei grundsätzlich auch bereit zum Erwerb von Ramschpapieren. Die Notenbank werde aber vorsichtig vorgehen, versicherte Draghi nach der auswärtigen Sitzung des EZB-Rates in Neapel. „Wir glauben, daß unsere Maßnahmen einen spürbaren Effekt haben werden“, betonte Draghi gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.

In den kommenden Wochen will die EZB mit dem Erwerb von Pfandbriefen beginnen. Anschließend sollen dann Käufe von Kreditverbriefungen (Asset Backed Securities/ABS) folgen.

Das System funktioniert folgendermaßen: Kredite werden gebündelt, das Paket wird als Wertpapier gestückelt an Investoren weiterverkauft. Dadurch werden Risiken breit gestreut, sind aber auch schwerer nachvollziehbar. Dieses Konstrukt gilt als einer der Auslöser der globalen Finanzkrise von 2008.

Es geht wieder los: Verbriefung von Kreditrisiken

Die EZB ist auch bereit, ABS-Papiere zu erwerben, die aus Ländern mit einem Kreditrating von weniger als „BBB“ kommen, umgangssprachlich werden sie „Ramschpapiere“ genannt. Dazu zählen beispielsweise solche aus Griechenland und Zypern.

Der EZB-Präsident macht die geringe Inflationsrate für die Wachstumsschwierigkeiten in der Euro-Zone verantwortlich. Sollten wegen einer zu lange andauernden Phase niedriger Inflationsraten weitere Schritte nötig sein, sei der EZB-Rat einig, notfalls „weitere unkonventionelle Maßnahmen im Rahmen unseres Mandats zu ergreifen“, erklärte Draghi. Durch den Verkauf an die EZB könnten die privaten Banken ihre Bilanzen bereinigen, hätten dadurch wieder mehr Spielraum, Kredite an die Wirtschaft zu vergeben. Davon verspricht sich die EZB-Spitze zumindest einen leichten Aufschwung. „Unsere bisherigen Maßnahmen haben noch nicht gefruchtet“, gab Draghi zu, „aber wir werden alles unternehmen, um den Euro zu retten. Dazu gehören auch Strukturreformen.“

In der Bundesrepublik Deutschland, die den EZB-Kurs in den vergangenen Jahren stets mitgetragen hat, kam es zu ungewöhnlich heftigen Reaktionen. „Eines muß klar sein: Das ABS-Programm darf nicht der Einstieg in ein breit angelegtes Quantitative Easing sein, was dann auch den Ankauf von Staatsanleihen umfassen würde. Das wäre der Schritt hin in die Staatsfinanzierung und würde das Mandat der EZB endgültig überdehnen“, warnte der Deutsche Sparkassen- und Giroverband. Bundesbankpräsident Jens Weidmann äußerte gegenüber dem Focus ebenfalls Bedenken. Er sehe die Gefahr, daß „Kreditverbriefungen schwächerer Qualität“ zum Kauf anstünden und die EZB zudem überteuerte Preise bezahlen könnte. „Dann würden Kreditrisiken, die von privaten Banken eingegangen wurden, ohne einen angemessenen Ausgleich auf die Notenbank und damit den Steuerzahler verlagert. Das aber widerspricht dem für eine Marktwirtschaft grundlegenden Haftungsprinzip: Wer den Nutzen hat, sollte auch bei negativen Entwicklungen den Schaden tragen.“ Gerade in der Finanzkrise habe sich gezeigt, wie gefährlich es sein könne, dieses Prinzip zu vernachlässigen.

Angesichts der jüngsten Erfolge der AfD hat die Entscheidung der EZB auch eine bundespolitische Dimension. „Wie viele Risiken will man uns eigentlich noch aufbürden. Am Ende haftet wieder der deutsche Steuerzahler“, erklärte AfD-Sprecher Bernd Lucke. In der CSU wurden Stimmen laut, die ein weiteres Erstarken der Alternative befürchteten. „Draghi und seine Gefolgsleute untergraben damit das Vertrauen in den Euro und die Idee des geeinten Europa. Das wird noch stärker als bisher den antieuropäischen Parteien die Wähler zutreiben“, sagte der CSU-Abgeordnete Hans Michelbach dem Handelsblatt.

Die EZB stütze mit ihrer Geldpolitik die Reformunwilligen in Europa. „Draghi verhöhnt mit seinem Kurs die Menschen in Europa, die Lasten auf sich genommen haben, um mit Reformen die Zukunft ihrer Länder zu sichern”, sagte Michelbach, „er ist und bleibt eine Fehlbesetzung.“

„Die Regierung ist verpflichtet, dagegen vorzugehen“

Deutliche Kritik kam auch von Hans-Werner Sinn, dem Präsidenten des Instituts für Wirtschaftsforschung, der von Beginn an zu den erbittertsten Kritikern der Euro-Rettungspolitik zählte. Er forderte die Bundesregierung zu einem aktiven Einschreiten gegen die EZB-Beschlüsse auf: „Sie betreibt eine fiskalische Rettungspolitik, zu der sie durch die EU-Verträge explizit hätte befugt werden müssen.“ Es sei offenkundig, daß die EZB damit ihr Mandat überschreite. „Die Bundesregierung ist verpflichtet, aktiv dagegen vorzugehen“, forderte Sinn. In einem Interview mit Focus Online äußerte er zudem Zweifel, ob die Euro-Krise tatsächlich vorbei sei. „Wenn Sie damit die Unruhe der Finanzanleger meinen, ja. Wenn Sie damit die Unruhe der Steuerzahler meinen, steht sie erst noch bevor. Und wenn Sie die Arbeitslosigkeit in Südeuropa und Frankreich meinen, ist sie voll im Gange.“

 

US-Unternehmen berät EZB

Der Name der größten Schattenbank der Welt fällt selten. „BlackRock“ nennt sich das Finanzunternehmen mit Sitz in New York. Insgesamt verwaltet die Firma etwa vier Billionen US-Dollar. Ende August wurde bekannt, daß der Vermögensverwalter die Europäische Zentralbank beim Kauf der sogenannten Asset-Backed-Securities (ABS), also von Banken ausgelagerten Kreditpaketen, berät. „BlackRock“ gehört allerdings auch zu den großen Gewinnern der Euro-Krise und investierte noch 2010 in griechische Staatsanleihen. Dabei setzte die Firma auch darauf, daß die EZB dem hochverschuldeten Land helfen würde. Zugleich prüfte „Blackrock“ in einem „Streßtest“ die wichtigsten griechischen Banken. Auch im April 2014 kaufte der Vermögensverwalter noch griechische Staatsanleihen. Allerdings sah sich die EZB bereits zu einer Stellungnahme gedrängt. „BlackRock“ sei verpflichtet, „zwischen den Aktivitäten des Projektteams, das für die EZB arbeitet, und seinen sonstigen ABS-Aktivitäten eine Trennung vorzunehmen.“ Wie das in der Praxis funktionieren soll, ist allerdings völlig unklar.

Foto: EZB-Chef Mario Draghi: Europas wichtigster Banker ist zuversichtlich, daß er den Banken hilft, doch Kritiker halten ihn für eine Fehlbesetzung

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