© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/14 / 10. Oktober 2014

Alexander ist es wohl nicht
Das große Rätsel: Wer liegt im Grab von Amphipolis?
Wolfgang Kaufmann

Rund 150mal vermeldeten Wissenschaftler bereits voller Euphorie, die letzte Ruhestätte Alexanders des Großen gefunden zu haben – sogar an so komplett unwahrscheinlichen Orten wie Istanbul, Venedig und Rom.

Dabei geriet im August 2014 auch die Nekropole der antiken nordgriechischen Stadt Amphipolis etwa hundert Kilometer östlich von Thessaloniki auf die Liste, nachdem Archäologen dort den Zugang zu einer aufwendigen Einzelgrabanlage aus der Zeit um 323 v. Chr., dem Todesjahr des berühmten Eroberers, freigelegt hatten. Allerdings sind die drei Hohlräume hinter den 1,5 Tonnen schweren Sphinxen derzeit noch nicht zugänglich.

Darüber hinaus ist es trotz des enormen Medienrummels um den Tumulus höchst unwahrscheinlich, daß er tatsächlich die sterblichen Überreste des großen Makedoniers birgt, denn die Quellen berichten zweifelsfrei von einer Bestattung im fernen Ägypten. Deshalb drehen sich die Vermutungen der Fachwelt momentan auch eher darum, was für eine andere historische Persönlichkeit in dem bombastischen Grabmal mit der 500 Meter langen Marmorumfriedung ruhen könnte.

Ist es Philipp III. Arrhidaios, ein geistig behinderter Halbbruder von Alexander, der 317 v. Chr. in der Hafenstadt am Golf von Strymon ermordet wurde? Oder Alexander IV. Aigos, einziger legitimer Sohn des makedonischen Königs, welcher 310 v. Chr. zusammen mit seiner Mutter, der sogdischen Prinzessin Roxane, einem Giftanschlag zum Opfer fiel?

Ebenso in Frage kommen Alexanders Admiral Nearchos, der Diadoche Antipatros sowie dessen skrupelloser Sohn Kassandros, der nach Alexanders Tod zum Herrscher über Makedonien avancierte. Aber möglicherweise sind die beiden kürzlich entdeckten Karyatiden, überlebensgroße weibliche Wächterstatuen, auch ein Beleg dafür, daß es sich um das Grab einer hochstehenden Frau handelt: am Ende liegt hier gar Roxane beziehungsweise Alexanders Mutter Olympias? Oder hat doch die Archäologin Olga Palagia von der Universität Athen recht, die einfach nur vom Grabmal eines römischen Generals ausgeht?

Nach der für die nahe Zukunft angekündigten Öffnung der Kammern werden wir auf jeden Fall mehr wissen – sofern es keine böse Überraschung gibt, denn wie jetzt an die Öffentlichkeit drang, ist das Gräberfeld von Amphipolis während des Ersten Weltkrieges von Soldaten der britischen King’s Shropshire Light Infantry geplündert worden.

www.theamphipolistomb.com

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