© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/14 / 10. Oktober 2014

Umwelt
Buddeln im Abfall
Tobias Schmidt

In Deutschland gelangen jährlich 700.000 Tonnen Elektroschrott zur Wiederverwertung. Weitere 1,3 Millionen Tonnen finden ihren Weg mutmaßlich nach Afrika. Dort wird der Schrott repariert oder seiner wertvollen Rohstoffe entkleidet. Wertvolle Rohstoffe? Nicht ohne Grund regelt die EU-Richtlinie 2012/19, daß die Verbringung von Elektroabfall ins Ausland illegal ist.

Das Umgraben der Deponien lohnt sich, da vor 1972 praktisch kein Abfall verwertet wurde.

Doch es geht nicht mehr nur um Elektroschrott. „Landfill Mining“ ist das Zauberwort der Zukunft. Das verheißt, wir werden ganze Mülldeponien – sobald die rechtlichen Rahmenbedingungen stimmen und die Rohstoffpreise hoch genug sind – umgraben und wiederverwerten. Dessen sind sich die Juristen Rebecca Schöne und Falk Schulze sicher. In Natur und Recht (5/2014) erklären sie, daß die Rohstoffgewinnung aus Mülldeponien ein tragfähiges und wirtschaftliches Konzept sei, wenn auf „Multi-Material-Gewinnung“ gesetzt werde: „also möglichst alle verfügbaren und werthaltigen Stoffe aus der Deponie herauszuholen“.

Trotzdem finde „Landfill Mining“ keine Erwähnung in bundesdeutschen Rohstoffstrategien. Eine fatale Lücke, denn bis zum Jahre 1972 habe eine Abfallverwertung praktisch nicht stattgefunden. Sie sei noch bis zum Jahre 2006 so defizitär gewesen, daß sich das Umgraben der Deponien aus dieser Zeit lohne. Dies vor allem in den alten Bundesländern. Auf dem Gebiet der DDR habe aus der Not heraus bis 1990 eine umfangreiche Müllverwertung stattgefunden.

In der belgischen Gemeinde Houthalen-Helchteren wird seit 2013 die Mülldeponie vollständig ausgekoffert. Wo heute 16 Millionen Tonnen Müll liegen, soll im Jahr 2030 nur noch ein Naturpark übrig sein. Der Müll soll dann in Form von Rohstoffen und Brennstoffen vollständig wiederverwertet sein. Das wäre wahrlich eine ökologische und ökonomische Synthese, wie wir sie selten erleben.