© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/14 / 10. Oktober 2014

Rette sich, wer kann
Niedrigzinsen: Die Politik des billigen Geldes beraubt die Deutschen, hilft den Südeuropäern und führt zum Kollaps des Finanzsystems
Jörg Fischer

Nur noch 0,05 Prozent verlangt die Europäische Zentralbank (EZB) derzeit für ihre Geldausleihung. Im Sommer 2008, vor Ausbruch der Finanz- und Euro-Krise, waren es noch 4,25 Prozent – also 85mal soviel. Das erfreut Finanzminister oder Häuslebauer und mindert die Raten für den Autokredit. Zwei Drittel der deutschen Haushalte besitzen jedoch mehr Vermögen als Schulden. Sie bezahlen für die EZB-Niedrigzinspolitik: „Im Durchschnitt haben die deutschen Haushalte in den letzten fünf Jahren 281 Euro pro Kopf ‘verloren’; insgesamt summieren sich die Zinsverluste seit 2010 auf knapp 23 Milliarden“, rechnet der „Allianz Global Wealth Report 2014“ vor.

Von der Euro-Rettungspolitik profitierten jedoch nicht nur verschuldete Banken, Firmen, Spekulanten oder Staaten: „Besonders hoch fallen die Netto-Zinsgewinne dabei in Spanien, Griechenland, Irland und Portugal aus; in allen vier Ländern liegen die Haushalte mit rund 1.000 Euro pro Kopf oder mehr im Plus; insgesamt addieren sich die Zinsgewinne in diesen vier Ländern seit Krisenbeginn auf 87 Milliarden Euro: Die Peripherie ist damit der große Profiteur der Niedrigzinspolitik“, heißt es in der Studie des Münchner Versicherungskonzerns.

Wie konnte es so weit kommen? Und welche Folgen ergeben sich aus den anderen milliardenschweren Banken- und Euro-Rettungsfonds (Soffin, EFSF, ESM und Co.), für die die deutschen Steuerzahler geradestehen müssen? Bricht letztlich unser Währungssystem zusammen? Droht gar eine Währungsreform?

Solchen Fragen stellen sich die beiden Volkswirtschaftsprofessoren Hanno Beck und Aloys Prinz in ihrem neusten Buch über „Die große Geldschmelze“. Und sie verraten schon im Untertitel, daß es wenig Hoffnung gibt, denn sie schildern in 15 Kapiteln anschaulich, „wie Politik und Notenbanken unser Geld ruinieren“. Während die Kapitel zwei bis vier zunächst Grundlegendes über das derzeitige Geld- und Finanzsystem erläutern, wird in Kapitel fünf exemplarisch an Aufstieg und Fall der „New Economy“ erinnert. Damals investierten Millionen naive – kleine wie große – Investoren in „lächerliche Internet-Geschäftsmodelle“, die sich letztlich als Milliardengrab erwiesen. Daß aus dem Platzen der damaligen Aktienpreisblase nichts gelernt wurde, schildert Kapitel sechs über die US-Immobilienkrise und die Lehman-Pleite 2008, die als Ini-titialzündung der Weltfinanzkrise gilt.

„Man muß diese Krise – ebenso wie die Krise der Neuen Ökonomie im Jahr 2000 – kennen, um zu verstehen, was in den vergangenen Jahren passiert ist, denn beide Krisen sind die Keimzelle unserer heutigen Probleme – und sie wurden unter anderem von der Geldpolitik mit ausgelöst“, konstatieren die beiden Ökonomen. Die momentanen Wertsteigerungen bei Immobilien und die Rekorde am Aktienmarkt seien nur ein Aufbäumen des Systems vor dem Kollaps.

„Nichts täuscht mehr als solche Vermögenspreisexplosionen: Vermeintliche reale Wertzuwächse sind aufgeblähte Zeugen der Geldexzesse der Notenbanken.“ Weder Prinz, der Finanzwissenschaft an der Universität Münster lehrt, noch Beck, „der vor seiner Lehrtätigkeit an der Hochschule Pforzheim FAZ-Wirtschaftsredakteur war, stellen dabei jedoch die Effizienz von Märkten in Frage. Die Politik habe die Finanzmärkte durch staatliche Eingriffe nicht zu wenig, sondern nur falsch reguliert.

In diesem Sinne wurden auch der Euro und seine milliardenschwere Rettung in Kapitel 13 kritisch beleuchtet. Beck und Prinz setzen dabei aber nicht auf ein baldiges Ende des Einheitsgeldes. Sie glauben, daß es bei der Währungsunion letztlich nur die Wahl zwischen dem „Modell Solidarität“ und dem „Modell Solidität“ gebe. Ersteres baue auf zwischenstaatliche Transfers und gemeinsame Fiskalpolitik – letzteres setzte hingegen auf Eigenverantwortung: „Wer bestellt, bezahlt, und wer Geld verleiht oder investiert, muß auch damit leben, daß er es verlieren kann.“ Sollte der Euro dennoch scheitern, werde „die Welt nicht untergehen“, denn EU und Binnenmarkt „können auch in einer Post-Euro-Zeit existieren“.

Sollte der Euro dennoch scheitern, werde „die Welt nicht untergehen“, denn EU und Binnenmarkt „können auch in einer Post-Euro-Zeit existieren“. Und welche Geldanlage ist in „Zeiten geldpolitischen Wahnsinns“ nun die Richtige? Die Autoren empfehlen alte Hausrezepte: „Anlagen streuen, auf Kosten und Steuergesetze achten, geduldig und nicht gierig sein.“ Dennoch werde im Endeffekt jeder in der einen oder anderen Form für die Banken- und Euro-Rettungpolitik zur Kasse gebeten. „Ich möchte kein Crashprophet sein, aber ich sehe kein Investment, keine Rettung, keine Hoffnung, daß wir den Kosten dieser Krise entkommen.“

Hanno Beck, Aloys Prinz: Die große Geldschmelze. Wie Politik und Notenbanken unser Geld ruinieren. Carl Hanser Verlag, München 2014, gebunden, 283 Seiten, 19,90 Euro

Foto: Sibelius Monument Helsinki: Ei auta itku markkinoilla (Auf dem Markt hilft kein Weinen)

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