© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/14 / 17. Oktober 2014

Die Fronten verhärten sich
Baden-Württemberg: Nach der Ablehnung der Petition geht der Streit um den Bildungsplan in eine neue Runde
Michael Paulwitz

Die Abfuhr war brüsk. Mit einem dürren Satz schmetterte der Petitionsausschuß des baden-württembergischen Landtags in der vergangenen Woche die von rund zweihunderttausend Bürgern unterzeichnete Online-Petition gegen die Frühsexualisierung von Kindern durch den „Bildungsplan 2015“ der grün-roten Landesregierung ab. Diese halte an ihrem Ziel fest, das Thema „Akzeptanz sexueller Vielfalt“ in den neuen Bildungsplänen zu verankern. „Deshalb hat der Petent mit seinem Anliegen keinen Erfolg“, verkündete die Ausschußvorsitzende Beate Böhlen von den Grünen. Eine „ausführliche Begründung“ für die Ablehnung werde noch nachgereicht.

Ein Affront, über den sich die Petitionsinitiative „Zukunft – Verantwortung – Lernen: Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens“ mit harschen Worten empört. Die „Substanzlosigkeit“ und „argumentative Leere“ der grün-roten Ausschußmehrheit zeige sich schon in der fehlenden Begründung, kritisiert der Initiator der Petition, der Realschullehrer und evangelikale Christ Gabriel Stängle. Der Petitionsausschuß habe die Rechte des Landtags übergangen, weil er dem Parlament lediglich Beschlußempfehlungen vorzulegen habe, aber nicht selbst über Petitionen zu entscheiden habe.

Mit diesen verfassungsrechtlichen Bedenken stehen die Sprecher von zweihunderttausend Bürgern nicht alleine. Eine Petition abzulehnen, weil die Regierung ohnehin nicht einlenken wolle, sei ein „Armutszeugnis“, das das Petitionsrecht auf den Kopf stelle, erklärt der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz Hartmut Steeb in einer Stellungnahme. Petitionen seien dazu da, berechtigte Einwände gegen Entscheidungen der Regierung vorzubringen. „Wenn der Petitionsausschuß dies nicht prüft, kann man ihn abschaffen“, sagte Steeb. Die Petitionsinitiative wirft der grün-roten Ausschußmehrheit vor, den Petitionsausschuß, der als „Notrufsäule der Bürger“ gedacht sei, kritik- und gedankenlos zum Sprecher der jeweiligen Regierung zu machen.

Die im November 2013 von Gabriel Stängle gestartete Online-Petition hatte kritisiert, daß in den Entwurf des neuen Bildungsplans für die baden-württembergischen Schulen die beharrliche Forderung einschlägiger Lobbyverbände übernommen worden war, die „Lebensmodelle“ von „LSBTTIQ-Menschen“ (das monströse Kürzel steht für „lesbisch, schwul, bisexuell, transsexuell, transgender, intersexuell, queer“) fächerübergreifend zu thematisieren. Der von der Petition mobilisierte massive Bürgerprotest, der sich unter anderem im Frühjahr 2014 in drei Großdemonstrationen in Stuttgart äußerte, hatte schließlich auch die landespolitische Opposition auf den Plan gerufen. Bei einer Anhörung der CDU-Landtagsfraktion im Mai hatten mehrere Experten die Pläne der Landesregierung als verfassungsrechtlich und pädagogisch bedenklich charakterisiert. Der Vorschlag der CDU-Mitglieder im Petitionsausschuß, die Eingabe an die Regierung zur Berücksichtigung bei ihrer weiteren Arbeit an der Bildungsplanreform zu überweisen, wurde von der grün-roten Mehrheit ebenfalls ignoriert.

Nächste „Demo für alle“ am Sonntag

Kritik kommt daher auch aus Unionskreisen. „Die grün-rote Landesregierung zeigt damit, wie wenig ernst sie die Bedenken und Argumente relevanter Teile der Bevölkerung nimmt“, erklärt die Abgeordnete Sabine Kurtz, zugleich Vorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises der Partei. Und die AfD-Jugend „Junge Alternative“ spottet über die Grünen, die sich sonst so gerne als Vorkämpfer der direkten Demokratie inszenierten, aber aus dem Mitbestimmungszug sofort ausstiegen, wenn der nicht in die gewünschte Richtung fahre.

Für die grüne Ausschußvorsitzende Böhlen ist die Petition mit den verbalen Korrekturen, die Kultusminister Alexander Stoch unter dem Druck der Stuttgarter Großdemonstrationen an seinem Bildungsplan-Entwurf vorgenommen hatte, erledigt. Für die Unterstützer der Petition offenbar nicht: Die nächste „Demo für alle“ ist für den 19. Oktober in der baden-württembergischen Landeshauptstadt schon angemeldet. Veranstalter ist ein Aktionsbündnis von Familienorganisationen, politischen Vereinen, Einzelpersonen und Initiativen aus ganz Deutschland.

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