© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/14 / 17. Oktober 2014

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
„Stück aus dem Tollhaus“
Christian Schreiber

Der Abhörskandal um den amerikanischen Geheimdienst ist um eine weitere Anekdote reichen. „Eikonal“ heißt das Zauberwort, mit dem sich der Untersuchungsausschuß des Bundestags derzeit beschäftigt. Der Bundesnachrichtendienst (BND) leitete demnach zwischen 2004 und 2008 alle Daten des Frankfurter Internet-Knotenpunktes De-Cix an die NSA weiter, ein fehlerhaftes Filterprogramm namens Dafis übermittelte auch Daten deutscher Bürger. „Operation Eikonal“ nannte der BND das, was bei den amerikanischen Kollegen auf recht wenig Gegenliebe stieß. Denn das Filterprogramm sei so fehlerhaft gewesen, daß ein Großteil der Daten unbrauchbar gewesen sei.

Die Süddeutsche Zeitung hatte berichtet, daß der BND bereits ab 2003 testweise mit der Überwachung des De-Cix begonnen habe, ab 2004 die Telefondaten gesammelt und ab 2005 auch den Internetverkehr in Frankfurt abgefangen habe. Die notwendige Technik soll die NSA bereitgestellt haben, die Weiterleitung übernahm jedoch der BND, und auch in Bad Aibling sahen Amerikaner die Informationen ein. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), damals Kanzleramtsminister, habe dieser Operation persönlich zugestimmt, und das, obwohl BND-Mitarbeiter vor möglichen rechtlichen Konsequenzen gewarnt hätten. 2008 habe der deutsche Geheimdienst die Operation gestoppt, allerdings hatten die amerikanischen Behörden auf eine „Kompensation“ gepocht. Mit dieser Darstellung wäre der BND halbwegs aus dem Schneider gewesen, wenn nicht der SPD-Obmann im Untersuchungsausschuß Christian Fliesek einen großen Auftritt gehabt hätte. Der unterrichtete in einem Pressegespräch darüber, daß die NSA von sich aus auf die Informationen verzichtet hätte, der Gehalt der Daten sei durch den schadhaften Filter extrem gering gewesen.

Für die Bundesregierung ist diese Episode extrem peinlich. Liebdienerisch habe man die Daten der eigenen Bürger dem „großen Bruder“ zur Verfügung gestellt, bis der dankend abgelehnt habe. Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele, in Sachen Geheimdienstarbeit ein alter Hase, geriet angesichts dieser Posse doch noch einmal aus der Fassung. „Das ist ja ein Stück aus dem Tollhaus.“ Kopfschmerzen hat nun auch der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Patrick Sensburg. Der CDU-Mann muß nun prüfen, ob sich sein Koalitionskollege fehlerhaft verhalten hat, steht die Arbeit des Gremiums doch offiziell unter einen strikten Geheimnisvorbehalt.

Doch mit der Verschwiegenheit ist es offenkundig nicht so weit her, Sensburgs Aussagen landeten prompt wieder bei der Süddeutschen Zeitung. Grünen-Vertreter Konstantin von Notz stellte prompt Sinn und Zweck in Frage, die ganze Geheimniskrämerei sei „absurd.“ Fliesek ist sich wiederum keiner Schuld bewußt, bestritt ausgerechnet in der Süddeutschen, daß er mit ebenjener Zeitung gesprochen habe. Die NSA-Affäre bekommt so immerhin eine humoristische Note, inhaltlich ist ohnehin wenig zu erwarten. Ein Großteil der Akten sei geschwärzt, sagt Grünen-Mann von Notz. Öffentlich versteht sich.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen