© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/14 / 17. Oktober 2014

Grüße aus Madrid
Flaue Gefühle
Michael Ludwig

Wie lebt es sich in einer Metropole, die unter Ebola-Alarm steht? Das kommt natürlich auf das Nervenkostüm des einzelnen an – ist er hart im Nehmen, dann machen ihm die alarmierenden Pressemeldungen weniger aus, gehört er zur Spezies der Vorsichtigen, dann versucht er, sich vor der tödlichen Seuche zu schützen, so gut es geht.

Pedro, mein 70jähriger Nachbar, gibt unumwunden zu, daß er mit einem flauen Gefühl durch die Straßen der Madrider Vorstadt Alcorcón geht, wo Teresa Romero normalerweise wohnt – die 44jährige Frau, die jetzt streng isoliert in der Klinik Carlos III liegt und mit dem Tode ringt, weil sie sich als Krankenschwester infiziert hat. Inzwischen hat sich ihr Zustand etwas stabilisiert. Nach Angaben des staatlichen TV-Senders RTVE wird sie mit dem Medikament ZMapp behandelt, das offiziell noch gar nicht zugelassen ist.

Vor wenigen Tagen hieß es, das Militär wolle die Menschen in Alcorcon evakuieren.

„Vor wenigen Tagen konnte man den Eindruck gewinnen, als seien hier im Viertel Außerirdische gelandet. Dutzende von Männern und Frauen in Schutzanzügen haben das Haus von Teresa desinfiziert. Ich sage Ihnen – bei diesem Anblick kann einem ausgesprochen mulmig werden“, sagt Pedro. Hinzu kommen Meldungen aus dem Internet, die für zusätzliche Aufregung in der Bevölkerung sorgen. Vor wenigen Tagen hieß es, das Militär stehe bereit, um die Menschen in Alcorcón zu evakuieren. Ein schlechter Scherz, den sich da jemand erlaubt hat, aber viele sind derart verunsichert, daß sie das für möglich gehalten haben.

Pedro versucht vorzubeugen. Wenn er im Bus oder mit der U-Bahn fährt, stülpt er sich eine Schutzmaske für Mund und Nase über und zieht sich Latexhandschuhe an. Er ist bei weitem nicht der einzige, der das tut. „Wenn jemand Ebola hat, schwitzt und sich an einer der Stangen festhält, die auch ich anfasse, dann gute Nacht – dieses Risiko will ich lieber nicht eingehen“, meint Pedro.

Vierzehn weitere Menschen stehen in der spanischen Hauptstadt wegen Ebola-Verdacht unter Beobachtung und werden behandelt. Die Regierung gibt sich zuversichtlich, daß sich der Virus nicht weiter ausbreiten wird. Als Regierungschef Mariano Rajoy die Klinik Carlos III besuchte, schlug ihm der Zorn des Krankenhauspersonals entgegen. Sie werfen ihm und seinem Kabinett vor, im Rahmen der allgemeinen Sparmaßnahmen die Krankenhäuser finanziell ausgeblutet zu haben und bewarfen sein Auto mit OP-Handschuhen.

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