© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/14 / 17. Oktober 2014

Zeitschriftenkritik: Hohe Luft
Muffige politische Korrektheit
Werner Olles

Jeder passionierte Bergsteiger kennt das Problem: Je höher man steigt, um so dünner wird die Luft. Wer da nicht hundertprozentig fit ist, gerät schnell in die Bredouille. Ähnlich geht es Kleingeistern, die sich an großen Denkern abreagieren, um ihre eigene Dürftigkeit aufzupolieren. 1982 trug sich ein solcher Fall zu, als der DGB Ernst Jünger analog zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels einen sogenannten „Kriegspreis“ verleihen wollte. Zum Glück gab es in der DGB-Führung ein paar vernünftige Leute, die der Auffassung waren, Jünger sei für derlei Mätzchen „eine Nummer zu groß“. Die „Ehrung“ wurde dann Heinz G. Konsalik zuteil.

Thomas Vasek, Chefredakteur der zweimonatlich erscheinenden Philosophie-Zeitschrift Hohe Luft, hatte offenbar keine solchen Ratgeber, als er beschloß, in der aktuellen Ausgabe (6/14) ein für allemal den Philosophen Martin Heidegger vom Thron zu stürzen. Dabei sind die Vorwürfe gegen den Denker aus dem Schwarzwald alles andere als neu, es sind im Gegenteil „alte Hüte“, ein wenig aufgehübscht durch ein paar der üblichen politkorrekten Totschlag-Argumente wie „anti-demokratisch“, „anti-liberal“, anti-rational“ und „anti-humanistisch“. Natürlich fehlt auch nicht der Hinweis auf Heideggers NSDAP-Mitgliedschaft und seine zeitweilige „Führer-Begeisterung“.

Nun mag man zu Aspekten von Heideggers geistigem Wirken verschiedener Meinung sein, doch sollte zumindest die wissenschaftliche Objektivität gewahrt bleiben. Davon kann jedoch hier keine Rede sein. Vaseks „Abrechnung“ mit dem „totalitären Denker“ ist eine einzige Denunziation, denn der Autor führt zwar alles ins Feld, was Heidegger zum Schaden gereicht, vergißt hingegen alles, was ihn entlastet. Unerwähnt bleibt zum Beispiel sein Eintreten gegen die Bücherverbrennung durch den Nationalsozialistischen Studentenbund während seiner Zeit als Rektor der Freiburger Universität. Daß Heideggers fundamentale Kulturkritik an der Moderne so unterschiedliche Denker wie Albert Camus, Jean-Paul Sartre, Hannah Arendt, Jacques Derrida und Michel Foucault beeinflußte, ist Vasek gerade einmal eine Randnotiz wert. Die große Plausibilität des NS für zahlreiche Intellektuelle bleibt unausgeleuchtet. Der traurige Rest sind Ungenauigkeiten, Schiefheiten, Irrtümer und Halbwahrheiten, untermischt mit Ressentiments und etwas antifaschistischem Pathos.

Voller muffiger politischer Korrektheit ist auch der Beitrag „Öffnet die Grenzen“, in dem der Autor für eine „liberalere Einwanderungspolitik“ plädiert. Der Staatsbürgerstatus der Industrienationen wird als „eine Art Neo-Feudalismus mittelalterlicher Art“ diffamiert, dabei gehe es doch um „Chancengleichheit“, anstatt „friedliche Menschen mit (Waffen-)Gewalt an der Einreise zu hindern“. Es ist exakt diese Art der Evidenzverweigerung, gepaart mit Naivität und Ignoranz, die einen als Leser dann doch dazu bringt, das Heft endgültig zuzuschlagen.

Kontakt: Hohe Luft Verlag. Hoheluftchaussee 95, 20253 Hamburg. Tel.: 040 / 42 93 52 87. Einzelpreis 8,90 Euro, Jahresabo 43,20 Euro. www.hoheluft-magazin.de

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