© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/14 / 24. Oktober 2014

Parteien geraten in schwere See
Schleswig-Holstein: SPD und CDU im Norden erleiden mit ihren Personalentscheidungen immer häufiger Schiffbruch
Hans-Joachim von Leesen

Ruhig, ernsthaft, bedächtig und zuverlässig: so sehen sich die Schleswig-Holsteiner am liebsten. Um so erstaunlicher ist der Blick auf die parteipolitische Landschaft im nördlichsten Bundesland, die sich durch Unruhe, Unberechenbarkeit und mangelnde Durchsetzungskraft auszeichnet. Davon lieferten CDU und SPD in den vergangenen Wochen schlagende Beispiele.

Nachdem die von SPD, den Grünen und der Partei der dänischen Minderheit, dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW), gebildete Landesregierung unter Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) innerhalb kurzer Zeit zwei Minister verloren hatte, machte es ihr die Oppositionspartei CDU nach. Während bei der linken Küstenkoalition Schulministerin Waltraud Wende (parteilos) und der Innenminister Andreas Breitner (SPD) das Handtuch warfen, kündigten Anfang des Monats CDU-Landeschef Reimer Böge und der Fraktionsvorsitzende Johannes Callsen an, sie stünden nicht mehr zur Verfügung.

Der Rückzug von Bildungsministerin Wende wurde allgemein mit Erleichterung aufgenommen. Sie hatte in kürzester Zeit Lehrer, Eltern und Schüler gleichermaßen verunsichert. So hatte sie den Zensuren ebenso den Kampf angesagt wie dem dreigliedrigen Schulsystem und dem Sitzenbleiben. Wende stolperte allerdings nicht über ihre Reformsucht, sondern über bis heute nicht aufgeklärte, von ihr vertraulich vereinbarte Sonderbedingungen für den Fall ihrer Rückkehr in den Hochschuldienst.

Anders sah es bei Breitner, Böge und Callsen aus. Alle drei sorgten mit ihrer Entscheidung in der Öffentlichkeit für Verblüffung. Vor allem der Rückzug des allseits anerkannten Innenministers Andreas Breitner (SPD) kam für alle unerwartet, zumal er ihn lediglich mit den dürren Worten begründete, er wolle sich lieber um seine Kinder kümmern.

Die CDU stellte bislang eine eher kraftlose Opposition dar, was wohl vor allem auf fehlende Führungspersönlichkeiten zurückzuführen war. Der Mangel ist schon seit Jahren offenbar. Seitdem die CDU nicht mehr den Ministerpräsidenten stellt, gelang es der Partei nur mit Ach und Krach, die Posten des Landesvorsitzenden und des Fraktionsvorsitzenden zu besetzen, die nunmehr die Oppositionspartei anführen sollten. Nicht selten übernahmen Parteimitglieder diese Aufgaben nur aus Parteiräson, was diesen jedoch meist schlecht vergolten wurde.

Reimer Böge gewann die CDU vor nicht einmal zwei Jahren nach tagelangem Drängen, sich zur Wahl zu stellen. Viel lieber wäre er allein als Abgeordneter im Europaparlament seinem Ruhestand entgegengedämmert. Aber die Partei ließ nicht locker, und so wurde er Landesvorsitzender, von dem man in Schleswig-Holstein allerdings nicht viel hörte. Jetzt erklärte er, ein ärztliches Bulletin schwenkend, er leide an Herzrhythmusstörungen und werde auf dem nächsten Landesparteitag nicht mehr kandidieren. Große Bestürzung allenthalben, zumal auch der damals in die Lücke gesprungene Fraktionsvorsitzende Johannes Callsen sein Amt zur Verfügung stellte.

Modernisierer übernehmen das Ruder

Aber diesmal brauchte die Partei nicht lange zu suchen. Als Fraktionsvorsitzender bot sich der bisherige ehrgeizige Hochschulpolitische Sprecher Daniel Günther, der sich durch „schneidige Reden“ ausgezeichnet hatte, wie der SPD-Vorsitzende Stegner sagte, als Nachfolger an. Und als möglicher Landesvorsitzender ließ sich der aus Nordfriesland stammende Bundestagsabgeordnete Ingbert Liebing nicht lange bitten. Beide stehen in dem Ruf, zu den Modernisierern der CDU zu zählen, und das heißt konkret, daß sie bei der nächsten Landtagswahl eine Regierung zusammen mit den Grünen anstreben dürften. Beide Kandidaten haben bisher ihren Berufsweg unter dem Schirm CDU zurückgelegt und sich davor gehütet, sich dem Wind der freien Wirtschaft auszusetzen.

Immerhin kann Liebing auf seine Zeit bei der Bundeswehr verweisen, was Günther offenbar lieber vermieden hat. Auch in Schleswig-Holstein wird nun die CDU, die bisher eine konservative Grundfarbe aufwies, nach links driften, womit sie eine Lücke für konservative Wähler aufreißt und damit der Alternative für Deutschland, die schon jetzt die für ein kleines Bundesland bemerkenswerte Zahl von 900 Mitgliedern vorweisen kann, eine deutliche Chance eröffnet.

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