© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/14 / 24. Oktober 2014

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Neue Konkurrenz
Christian Schreiber

Im politischen Berlin beginnt die Erinnerung an die FDP langsam zu verblassen. Die Büros der ehemaligen Bundestagsfraktion sind längst vergeben und Journalisten, die jahrelang den Weg der Liberalen begleitet haben, haben sich anderen Themen zugewendet.

In der vergangenen Woche kam dann plötzlich noch einmal so etwas wie Hoffnung auf. „Die FDP wächst doch nicht etwa?“ orakelte der Stern, und zahlreiche liberale Politiker verbreiteten den Artikel im Internet. Eine Forsa-Umfrage hatte einen Anstieg des FDP-Werts vermeldet – von zwei auf drei Prozent. Alleine die Tatsache, daß diese Meldung für Euphorie im FDP-Lager sorgte, zeigt, wie schlimm es wirklich um die Partei steht.

Vor allem in Hamburg, wo die FDP im Februar den nächsten Existenzkampf führt, reißen die schlechten Nachrichten nicht ab. Vor wenigen Tagen kündigte der Landesvorsitzende Dieter Lohberger seinen Rück- und Austritt an. Er hatte das Amt vor sechs Wochen übernommen und erhob nun schwere Vorwürfe gegen die Fraktionsvorsitzende Katja Suding. „Die Hamburger FDP funktioniert nicht mehr nach demokratischen Prinzipien“, sagte Lohberger dem Hamburger Abendblatt. „Innerparteiliche Demokratie gibt es hier nicht. Alles wird von einem Zirkel um Frau Suding bestimmt. Ich habe die Hoffnung aufgegeben, daß sich das ändert.“ Mit Hilfe einiger Getreuer soll Suding im Juli die Kandidatenliste zur Bürgerschaftswahl mit Kandidaten ihres Vertrauens bestückt haben. „Es ist grotesk und unverständlich, daß die FDP erfolgreiche Mitstreiter wie die Ex-Bundestagsabgeordneten Sylvia Canel oder Burkhardt Müller-Sönksen von der Kandidatur ausgeschlossen haben“, kritisierte Lohberger. Canel hatte bereits vor Wochen das Weite gesucht, sie war die Vorgängerin von Lohberger als Parteivorsitzende. Mit ihr war auch ihr Stellvertreter Najib Karim gegangen.

Beide gründeten mit anderen Ex-FDPlern vor wenigen Wochen die „Neuen Liberalen“. Innerhalb von wenigen Wochen hat die Neugründung mehrere hundert Mitglieder geworben und wird im Februar zur Bürgerschaftswahl antreten. Sie versteht sich als sozialliberales Sammelbecken, als „Gruppe ohne Denkverbote“ und als „soziale Alternative für Deutschland“. Die AfD sehen Canel und Najib als wahre Gegner, mit der FDP will man überraschenderweise ein konstruktives Nebeneinander, wie es der Parteivorsitzende formulierte. Parteien wie der FDP, den Grünen oder den Piraten sollen sogar Doppelmitgliedschaften möglich sein, obwohl die Satzungen außer bei den Piraten eine solche Möglichkeit ausschließen. Die Chancen bei der Bürgerschaftswahl im Februar sind schwer einzuschätzen. Zwar haben sich rund ein Dutzend ehemalige FDP-Spitzenfunktionäre der Partei angeschlossen, allerdings spielten die Liberalen in der Hansestadt nie eine prägende Rolle.

Dennoch wird die neue Konkurrenz- in der ausgedünnten Berliner FDP-Zentrale ganz genau beobachtet. Sollte den Neuen Liberalen in Hamburg ein Achtungserfolg gelingen, das weiß auch Parteichef Christian Lindner, gibt es für die FDP kaum noch Hoffnung.

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