© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/14 / 24. Oktober 2014

Lokführer-Gewerkschaft legt Bahnverkehr lahm
Es wurde nicht besser
Jörg Fischer

Alle reden vom Wetter. Wir nicht. Wir fahren immer – fahr lieber mit der Bundesbahn!“, so warb das größte deutsche Verkehrsunternehmen im Fernsehen. Das ist ein halbes Jahrhundert her. Vorige Woche hieß es auf der Internetseite der Deutschen Bahn AG lapidar: „Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat für den Personenverkehr erneut zu einem Streik bis Montag, 20. Oktober um vier Uhr aufgerufen. Die Züge des Fernverkehrs verkehren bis zum Sonntag, den 19. Oktober um 24.00 Uhr nach einem Ersatzfahrplan.“ Hunderttausende warteten vergeblich auf ihren Zug – auch im Nahverkehr und bei den S-Bahnen. Ausgebuchte Fernbusse, überfüllte Stadtbusse und U-Bahnen, Dauerstaus, genervte Pendler, frustrierte Urlauber – alles dank der streikfreudigen GDL und ihres christdemokratischen Vorsitzenden Claus Weselsky?

Nein, das Verkehrschaos ist eine logische Folge der Bahnreform von vor zwanzig Jahren. Bis dahin waren nicht nur Lokführer, sondern auch Bahnhofsvorsteher, Rangiermeister, Schaffner oder Zugführer Beamte. Das hieß: Entsprechend der „hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums“ (Artikel 33 Grundgesetz) galt für Bundesbahner ein Streikverbot. Wiederaufbau und Wirtschaftswunder waren ohne eine zuverlässige Eisenbahn undenkbar. Doch die Bundesbahn und auch die DDR-Reichsbahn waren ein Milliarden-Zuschußgeschäft.

Das „Gesetz zur Neuordnung des Eisenbahnwesens“ sollte die Wende bringen: Weg mit der Behördenbahn, statt dessen unternehmerische Betriebsführung und weitgehende Privatisierung, hieß die Zauberformel. Anstelle von Beamten im mittleren oder gehobenen Dienst sollen kostengünstige Angestellte oder Mitarbeiter von Fremdfirmen die Eisenbahneraufgaben erfüllen. In den Chefetagen wurde hingegen systematisch zugelangt: So entwickelten sich aus den einst fünf Präsidenten der Bundesbahn schließlich acht Vorstandsmitglieder – mit einem Gehalt, das jeweils dem Mehrfachen der Bundeskanzlerin entspricht.

Hinzu kommen Hunderte DB-Tochtergesellschaften in AG- oder GmbH-Form, deren zusätzliche Führungskräfte und Jahresabschlüsse jährlich zig Millionen verschlingen. Wer kann den Lokführern da verdenken, auch ihren Anteil einzufordern? Das Zugpersonal ist nicht einfach zu ersetzen. Die Triebfahrzeugführer erkennen ihren Marktwert in der Wettbewerbsgesellschaft, ohne sie dreht sich kein Rad. Gleiches gilt für Ärzte, Fluglotsen oder Piloten. Auch ohne Berufsbeamtentum ist die DB dennoch weiter zu hundert Prozent im Bundesbesitz. Der Steuerzahler wird wie zu Bundesbahnzeiten milliardenschwer zur Kasse gebeten – nur daß die Subventionen nun „Investitionszuschüsse“ oder „Bestellerentgelte“ für den Regionalverkehr genannt werden. Allerdings das „Wir fahren immer“ gilt nicht mehr – also am besten gleich auf Auto, Bus oder Fahrrad umsteigen.

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