© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/14 / 24. Oktober 2014

Frisch gepresst

Sozialisten. „Wir wollen hier auf Erden schon / das Himmelreich errichten“, stellt Helga Schultz ihrem Wälzer über den europäischen Sozialismus einen Vers Heinrich Heines voran, der im „Wintermärchen“ die diesseitige Erlösungssehnsucht des 19. Jahrhunderts poetisch einfing. Die emeritierte Professorin für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) nähert sich ihrem Gegenstand aus der biographischen Perspektive. Sie zeichnet das Leben von 13 Sozialisten nach, die mit Ausnahme von Alva Myrdal alle noch im 19. Jahrhundert zur Welt gekommen sind und die sozialistische Bewegung im 20. Jahrhundert entscheidend geprägt haben: von Karl Kautsky, Bernard Shaw, Jean Jaurès über Leo Trotzki, Otto Bauer, bis zu Josip Tito, Herbert Marcuse oder Alva und Gunnar Myrdal. Ob nun Diktator oder Dramatiker – die 1941 in Schwerin geborene Historikerin porträtiert alle als Repräsentanten einer bunten, facettenreichen, aber „leider“ gescheiterten Idee einfühlsam und mit einer inbrünstigen Parteilichkeit, die von ihrem früheren Arbeitgeber – der Akademie der Wissenschaften der DDR – herrühren dürfte. (cs)

Helga Schultz: Europäischer Sozialismus – immer anders. Berliner Wissenschaftsverlag, Berlin 2014, broschiert, 554 Seiten, 59 Euro

 

Besatzer. Den „Leitfaden für britische Soldaten in Deutschland 1944“ hat der Verlag Kiepenheuer & Witsch neu aufgelegt. Zum einen, da dieser – wie es im Vorwort heißt – mit seinem Bild von der deutschen Geschichte und Kultur „beeindruckt“. Kostprobe: „Deutsche lieben Uniformen.“ Natürlich war die als Beispiel genannte Uniformierung der deutschen Jugend damals Folge eines Zwangssystems. Traditionell waren deutsche Schüler und Wandervögel nicht oder nur wenig uniformiert, während in England Schul-uniformen und ein militärisches Pfadfinderwesen vorherrschten. Ebenso verhält es sich, wenn KiWi als weiteren Grund für den Nachdruck die „ungeheure Zivilisiertheit“ der Briten nennt, die da zum Ausdruck komme. Das mal mit einem Blick ins Geschichtsbuch abgleichen ... Fazit: Das Bändchen sagt vor allem „Beeindruckendes“ über den damaligen Zeitgeist der Briten aus, dem aber nur auf die Spur kommt, wer es – anders als der Verlag – kritisch gegen den Strich liest. (mo)

Ohne Autor: Leitfaden für britische Soldaten in Deutschland 1944. Kiepenheuer und Witsch, Köln 2014, gebunden, 59 Seiten auf deutsch plus 62 Seiten auf englisch, 8 Euro

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