© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/14 / 31. Oktober 2014

Luckes forsche Garde
Junge Alternative: Der AfD-Nachwuchs und der Wunsch nach Anerkennung
Marcus Schmidt

Es ist die alte Geschichte vom Kampf der Generationen. Auf der einen Seite die Eltern und Großeltern, die verteidigen, was sie in ihrem Leben erreicht haben – und auf der anderen Seite die Jugend, die nach ihrem Recht verlangt. Vielleicht läßt sich so der verbissene Kampf von Finanzminister Wolfgang Schäuble gegen die Euro-kritische AfD erklären. Schäuble, der maßgeblich an der Einführung der Gemeinschaftswährung beteiligt war, sieht sein Lebenswerk durch die politischen Aufsteiger von der AfD bedroht. Diese sei eine „Schande für Deutschland“, polterte der 72 Jahre alte CDU-Politiker jüngst in Richtung der Partei von Bernd Lucke.

Dort, genauer gesagt beim Partei-nachwuchs „Junge Alternative“ (JA), wurde dieser Angriff persönlich genommen. Die Parteijugend reagierte umgehend. „Ich bin also eine Schande für Deutschland?“ steht auf dem Schild, das eine junge Frau im Dirndl in die Kamera hält. Das Bild ist Teil einer Aktion, mit der die JA derzeit in den sozialen Netzwerken Front macht gegen Schäubles politischen Schlag unter die Gürtellinie. „Die Kampagne ist ein klares Zeichen: Es ist keine Schande, sich politisch zu engagieren“, sagt der JA-Vorsitzende Philipp Ritz, der mit seinen 33 Jahren über dem Altersdurchschnitt seiner Organisation von 24 Jahren liegt. „Bei uns engagieren sich ganz normale Leute, die studieren, arbeiten oder zur Schule gehen.“

So wie Marie-Thérèse Wegner, die junge Frau im Dirndl. Die 25 Jahre alte Finanzassistentin studiert im sechsten Semester Jura und ist seit einem Jahr Mitglied beim AfD-Nachwuchs. „An der JA gefällt mir besonders das gute Maß an Provokation und die Kunst, so auf Mißstände hinzuweisen“, sagt sie mit Blick auf die Foto-Aktion. „Hier galt es deutlich zu machen, wie sich ein angeblicher Demokrat in der Funktion eines Bundesfinanzministers absolut niveaulos äußert, weil Menschen in einem freiheitlich-demokratischen Staat die ‘falsche’ Meinung vertreten“, erzählt Wegner, die seit September auch AfD-Mitglied ist.

Für solche Foto-Kampagnen, die sich tausendfach im Internet verbreiten, ist die Junge Alternative mit ihren mittlerweile 620 Mitgliedern bekannt. Im Europawahlkampf schaffte es die Nachwuchsorganisation damit sogar als „Verlierer des Tages“ auf die Seite 1 der Bild-Zeitung. Das Springer-Blatt bewertete das Motiv der Kampagne – fünf junge Frauen im Tangabikini zeigen dem Fotografen die Rückseite – zusammen mit dem Spruch „Gleichberechtigung statt Gleichmacherei – P(r)o Vielfalt in Europa!“ als „P(r)olitisch voll daneben“. Doch Ritz freut sich noch heute. „Das war ein grandioser Erfolg. Mich haben Leute angerufen und mir gratuliert.“ Alle hätten die Erwähnung in der Bild als Auszeichnung begriffen. „Wir haben mit der Aktion sehr viel Wind erzeugt“, berichtet Ritz.

Auch Melanie Schneider gefallen die Foto-Kampagnen der Jungen Alternative. „Diese Aktionen sind super“, sagt die 26jährige aus Rheinland-Pfalz, die sich ebenfalls für die Schäuble-Kampagne hat ablichten lassen. „Wir sind derzeit die politische Jugendorganisation, die am meisten auffällt“, freut sie sich.

Auch in der „Mutterpartei“ AfD kommt die freche Art des Nachwuchses bei vielen an, glaubt Ritz. „Die AfD-Basis sieht es als selbstverständlich an, daß die Jugendorganisation auch mal über die Stränge schlägt.“ Dem JA-Chef ist allerdings nicht entgangen, daß manche in der Bundespartei das Treiben seiner Organisation mit Skepsis verfolgen. Besonders AfD-Sprecher Bernd Lucke äußert sich zurückhaltend. „Ich erwarte von einer Jugendorganisation, daß sie ihr Profil nicht nur durch politische Provokationen, sondern auch durch inhaltliche Arbeit bildet“, sagte Lucke der JUNGEN FREIHEIT. Er wünsche sich mehr Klarheit bei den politischen Positionen. „Da ist mir vieles noch unklar.“ Gleichwohl weiß er um den Wert der hochmotivierten und schlagkräftigen Truppe: „Die Junge Alternative hat sich große Verdienste bei der Wahlkampfunterstützung der AfD erworben“, lobte Lucke.

Die Vorbehalte in der AfD-Spitze sind für Philipp Ritz nichts Neues. „Es wäre kein gutes Zeichen, wenn wir als Jugendorganisation in der Parteiführung die größten Fans hätten.“ Es sei normal für jeden Parteinachwuchs, daß dieser laut und frech sei und an die Grenzen des guten Geschmacks gehe. Aber er weiß auch um die programmatischen Defizite der JA. „Wir müssen uns unsere inhaltlichen Positionen erst einmal erarbeiten“, bittet er um Geduld. Ähnlich wie bei der AfD dürfte dies nicht ganz einfach werden. „Bei manchen Themen gehen die Meinungen bei uns ganz schön auseinander“, berichtet Melanie Schneider. Doch das finde sie gut. „Die Diskussionen helfen, die Positionen der anderen besser zu verstehen, auch wenn ich meine Meinung nicht ändere.“ Am Ende werde sich zeigen, wer sich durchsetzt. Ebenso wie in der Mutterpartei gebe es in der JA einen liberalen und einen konservativen Flügel, berichtet Ritz.

Auch wenn sich in der JA der Nachwuchs der Euro-kritischen AfD sammelt, ist die Krise der Gemeinschaftswährung nicht das einzige Thema der Jugendorganisation. Hoch im Kurs steht unter anderem die Bildungspolitik. „Mir persönlich ist die Rückkehr zum dreigliedrigen Bildungssystem und die Rückkehr zu bewährten Diplom- und Staatsexamensstudiengängen wichtig“, sagt Wegner. Und auch Schneider, die derzeit ihr Abitur nachholt, beklagt das sinkende Bildungsniveau in Deutschland. Aber auch die wachsende Kriminalität sei für viele Mitglieder ein wichtiges Thema, berichtet Ritz.

Offiziell ist die JA eigentlich noch gar nicht die Nachwuchsorganisation der AfD – obwohl 90 Prozent der Mitglieder auch der Partei angehören. Formal ist die JA immer noch selbständig. Lediglich in fünf Bundesländern, darunter allerdings die mitgliederstarken Landesverbände Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg, ist die JA bereits anerkannt. Doch auf dem AfD-Parteitag Ende Januar in Bremen soll endlich auch ein entsprechender Antrag auf Bundesebene gestellt werden.

Foto: JA-Aktivistin Marie-Thérèse Wegner: Lust an der Provokation

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