© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/14 / 31. Oktober 2014

CD-Kritik: Ensemble Recherche / Liebeslieder
Das Herz bleibt kühl
Sebastian Hennig

Als das Ensemble Recherche anläßlich seines 25jährigen Bestehens einen entschiedenen Mangel an Liebesliedern in der zeitgenössischen Musik feststellen mußte, wünschten sie von befreundeten Komponisten dergleichen angefertigt zu bekommen. Eigentlich ein schöner Einfall. Dreißig an der Zahl sind entstanden. Von den Veteranen der Szene, wie Hanz Zender über die mittleren Jahrgänge bis zu den jüngeren wie Jörg Widmann. Tänzerische Scherzi sind ebenso vertreten wie elektroakustische Stimmtoncollagen.

Das Ohr vernimmt es wohl, währenddessen das Herz kühl bleibt. Diese Edition ist ein Projekt zum Thema „Liebeslieder“, doch Liebeslieder enthält sie eigentlich nicht. Zu Beginn seiner Erzählung „Die Kreutzersonate“ läßt es Leo Tolstoi in einem Eisenbahnabteil zu einem heftigen Streitgespräch darüber kommen, ob der Liebesempfindung irgendeine Wirklichkeit entspräche. Die Doppel-CD „Liebeslieder“ des neunköpfigen Ensemble Recherche legt nun nahe, daß die Liebe in den Zeiten der Dodekaphonie nur ein artifizielles Gespenst ist. Die Instrumente zanken und säuseln heftig miteinander. Kein Gefühl verdichtet sich zu einer künstlerischen Wirklichkeit. Die sinnliche Verführungsmacht der Musik, wie sie Tolstoi befürchtete, wirkt sich hier nicht aus. Es waltet allein eine selbstverliebte Musizierpraxis.

Ensemble Recherche Liebeslieder Wergo, Mainz 2014 www.wergo.de

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