© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/14 / 31. Oktober 2014

Umwelt
Verzehren, um zu leben
Heiko Urbanzyk

Die „Bunten Bentheimer Schweine sind ja nicht deshalb vom Aussterben bedroht, weil zu viele von ihnen gegessen werden, sondern – im Gegenteil – weil kaum noch jemand sie ißt“. Karen Duve brachte in ihrem Kassenschlager „Anständig essen“ vor einigen Jahren auf den Punkt, was die Szene der besserverdienenden Ökos schon lange umtreibt: Um seltene Tierrassen zu erhalten, muß man sie töten und essen. Ein Skandal? Der Zwiespalt beschäftigt interessanterweise nur Vegetarier und Veganer, welche die Tiere ohnehin niemals verzehren würden.

In Duves Buch antwortet ihre hypermoralinsaure, teilzeitvegane Mitbewohnerin auf die Frage, ob es besser wäre, das seltene Schwein wäre gar nicht erst geboren: „Allerdings!“ Bunte Bentheimer wären aus dieser tierzentrierten Sicht ebenso ausgestorben wie das Wollschwein oder das Schwäbisch-Hällische Schwein. Das gälte aus veganer Sicht auch für die gemeine Hauskuh, das Huhn im Garten und diverse Ziegen und Schafe. Würde sie kein Mensch mehr (ver)brauchen, wären sie überflüssig.

Seltene Schweinerassen sind eine Frage der Tradition und Heimatverbundenheit.

Wer gerne gutes Fleisch ißt, schert sich um diese Sorgen wenig und liegt mit den seltenen Nutztierrassen genau richtig. Die Aufzucht dieser Tiere findet fernab jeglicher Massentierhaltung statt. Hier weiß der Fleischesser ganz genau, woher das Kotelett stammt. Für Bauern wie Konsumenten sind seltene Schweinerassen eine Frage der Tradition, Heimatverbundenheit und des besonderen, nicht massentauglichen Geschmacks.

Eine aktuelle Studie an der Universität Kassel bestätigt dies: Alte Pflanzensorten und Haustierrassen auf der Speisekarte eines Restaurants sind für Gäste ein ausschlaggebender Grund zur Einkehr in diesem Hause. Regionalität steht weit oben als Beweggrund. Ganz nebenbei schützen sie dadurch den seit Jahrzehnten dramatisch verkümmernden Genpool unserer Haustierrassen.

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