© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/14 / 07. November 2014

Dem Zoll fehlt Personal
Kriminalität: Der Kampf gegen den Schmuggel von Crystal Meth aus Tschechien legt Schwachstellen der Sicherheitsarchitektur offen
Paul Leonhard

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) schlägt Alarm. Sie sieht durch den zunehmenden Schmuggel der Modedroge Crystal Meth aus Tschechien ernsthafte Probleme für die deutsche Sicherheitsstruktur. Daß die Zöllner überhaupt im Kampf gegen Crystal Meth – die gefährlichste Droge der Welt – erfolgreich sind, „liegt allein an ihrer Leidenschaft für ihren Beruf und an ihrem Spürsinn, aber nicht an einem überzeugenden System“, kritisiert der Vorsitzende der Bezirksgruppe Zoll der GdP, Frank Buckenhofer. Zwischen den Zolleinheiten gebe es keine tauglichen Melde- und Befehlswege. Auch aus Sicht von Jörg Radek, GdP-Vorsitzender Bundespolizei, ist der Aufbau des Zolls nicht mehr zeitgemäß: Man brauche dringend eine stärkere polizeiliche Ausrichtung und mehr Personal für den Kontroll-, Fahndungs- und Ermittlungsdienst des Zolls. Mit der gegenwärtigen übertriebenen Bürokratie „werden wir dem Crystal-Meth-Problem mit Sicherheit nicht gerecht“.

Aus Gewerkschaftssicht verfügt der Zoll im Gegensatz zur Bundespolizei weder auf nationaler noch auf regionaler Ebene über eine strategische Steuerung seiner wenigen Einsatzkräfte. Auch die inzwischen durch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) angekündigte Bündelung der Mittelbehörden in einer Generalzolldirektion führe „in der aktuell angedachten Struktur nicht zum Ziel“. So hätten die unterschiedlichen Einheiten weiterhin keinen gemeinsamen Chef. Gerade bei einem die ganze Republik betreffenden Problem wie Crystal sei eine geordnete Ermittlung und Fahndung derzeit nicht möglich.

Wichtig sei eine deutlich stärkere Zusammenarbeit zwischen deutschen und tschechischen Zoll- und Polizeibehörden, betont Buckenhofer. Dazu gehöre eine wirksame Zollüberwachung der Grenze. Auch müsse sich Berlin „bei unseren Nachbarn dafür stark machen, daß diese Drogenbasare stärker kontrolliert werden“. Zur Zeit werde Crystal auf den insgesamt 18 Vietnamesenmärkten im Grenzgebiet zu Deutschland zu Dumpingpreisen offen verkauft. Ein Gramm hochdosiertes Crystal Meth kostet in Tschechien zwischen rund 20 und 35 Euro und reiche für etwa zehnmal Vollrausch.

Von einer „Art Drogentourismus“ spricht der Leiter der tschechischen Antidrogenpolizei in Prag, Jakub Frydrych. Er verweist darauf, daß auf den Asiamärkten neben Drogen auch gefälschte Textilien und illegale Zigaretten verkauft würden. Die gleiche asiatische Mafia sei in Prostitution und Waffenhandel verstrickt. Buckenhofe forderte, daß „in letzter Konsequenz die Märkte geschlossen werden“ müßten.

Wirkstoffe stammen aus Polen

Die Produktion von Methamphetamin in Tschechien wird auf jährlich sechs Tonnen geschätzt. Böhmische Zöllner verweisen darauf, daß ein Großteil der für die Herstellung der Droge wichtigen Wirkstoffe aus Polen stamme. Dort seien noch immer Erkältungsmittel, die den für die Crystal-Herstellung wichtigen Wirkstoff Pseudoephedrin enthalten, frei erhältlich. Teilweise würden die Tabletten verflüssigt und in Plastikflaschen über die polnisch-tschechische Grenze transportiert. Professionelle Crystal-Labore können bis zu 15 Kilogramm am Tag produzieren, hat die im März gegründete Sonderkommission Toxi zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität festgestellt. Sie konnte bis Mitte Oktober bereits acht Crystal-Labore zerstören.

Obwohl Crystal nach Erkenntnissen der GdP längst in bayerischen Schulen und Jugendzentren entlang der Grenze den Kindern angeboten wird, wird es in der Polizeistatistik erst seit diesem Jahr gesondert erfaßt. In Sachsen wird die Zahl der Crystal-Konsumenten auf etwa 15.000, ihr Durchschnittsalter auf knappe 26 Jahre geschätzt. Längst sind nicht nur relativ grenznahe Städte wie Chemnitz, Leipzig oder Bayreuth betroffen, die gefährliche Droge „gelangt mehr und mehr auch in den Westen Deutschlands“, warnt Buckenhofer. Erste Crystal-Labore wurden bereits in Brandenburg entdeckt. Die Polizei müsse schnell handeln.

Crytal Meth zählt zu den aggressivsten und zerstörerischsten Drogen der Welt. Sie kann geraucht, geschnupft und gespritzt werden. Der Konsum führt zu Psychosen, schädigt das Gehirn und macht schnell abhängig.

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