© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/14 / 07. November 2014


Reaktionen auf Belästigungen
Billant: Aphorismen von Michael Klonovsky
Thorsten Thaler

In der Brockhaus-Enzyklopädie heißt es unter dem Stichwort „Aphorismus“: „knapper, oft schlagkräftig formulierter, in sich geschlossener Sinnspruch in Prosa, vermittelt überraschend eine Erkenntnis durch Vergleich, Gegensatz oder Widerspruch und regt zum Nachdenken an“. Als Schöpfer der Gattung werde Hippokrates angesehen, spätere Meister darin seien Francis Bacon, Baltasar Gracián und Blaise Pascal gewesen.

In der deutschen Literatur gelten neben vielen anderen Georg Christoph Lichtenberg, Johann Wolfgang von Goethe und Karl Kraus als bedeutende Aphoristiker. Von dem österreichischen Publizisten, Satiriker, Sprach- und Kulturkritiker Karl Kraus stammt zum Beispiel dieser Aphorismus über Aphorismen: „Ein Aphorismus braucht nicht wahr zu sein, aber er soll die Wahrheit überflügeln. Er muß mit einem Satz über sie hinauskommen.“

Unter den zeitgenössischen deutschen Aphoristikern von Rang zählt neben Botho Strauß der 52jährige Michael Klonovsky zu den produktivsten; vor allem aber ist er der scharfsichtigste und sprachmächtigste. Soeben hat der Schriftsteller und Essayist, im Brotberuf seit mehr als zwanzig Jahren für Focus tätig, einen neuen Band mit Aphorismen vorgelegt, seinen zweiten nach „Jede Seite ist die falsche“ (JF 43/08). Wie er zuweilen seine Gedankensplitter zu formulieren versteht, ist geeignet, beim Leser einen begeisterten „Wow!“-Effekt auszulösen. In seiner knappen, die Sammlung einleitenden Vorbemerkung weist Klonovsky bescheiden darauf hin, daß man vieles anders sehen könne als er, „aber nicht unbedingt besser formulieren“.

Warum er allerdings wenige Zeilen zuvor meint, er nehme „keinerlei Originalität für sich in Anspruch“, bleibt sein Geheimnis. Daß Klonovskys politisch höchst unkorrekte, dem Zeitgeist widersprechende Aphorismen „entweder auf alltägliche Belästigungen durch die Plagegeister der egalitaristischen Welttendenz“ reagierten oder „altbekannte Gemeinplätze auf dem Umweg einer Neuformulierung in die Gegenwart“ verlängerten, spricht nicht gegen ihre tatsächlich vorhandene Orginalität – und schon gleich gar nicht gegen ihre Brillanz.

Michael Klonovsky: Aphorismen und Ähnliches. Karolinger-Verlag, Wien 2014, gebunden, 125 Seiten, 18,90 Euro

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen