© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/14 / 14. November 2014

Endlich mal Zeit für Inhalte
Alternative für Deutschland: Auf einer Klausurtagung in Regensburg hat die AfD-Spitze erste programmatische Pflöcke eingeschlagen
Marcus Schmidt

In Regensburg sollte es endlich wieder um Inhalte gehen. Die AfD-Spitze hatte sich am vergangenen Wochenende fest vorgenommen, die Vorstandsklausur zu nutzen, um wieder in die Offensive zu gehen.

In den vergangenen Wochen hatte sich die Partei vor allem mit sich selbst beschäftigt und war zusehends in die Defensive geraten. Die anhaltende Debatte in den Medien, ob die AfD „nach rechts“ kippe, drohte chronisch zu werden. Der lautstark und öffentlich ausgetragene Streit zwischen den Vorstandsmitgliedern Hans-Olaf Henkel und Alexander Gauland über tatsächliche oder vermeintliche Querulanten und Verschwörungstheoretiker in der Partei ramponierte das Bild zusätzlich. Parteiintern hatte zudem die harsche Reaktion der Parteiführung auf die Teilnahme einiger AfD-Mitglieder an der Kölner Demonstration „Hooligans gegen Salafisten“ für Irritationen gesorgt. Die AfD-Spitze um Bernd Lucke hatte nach den gewalttätigen Ausschreitungen einen harten Kurs eingeschlagen. In einer gemeinsamen Stellungnahme erklärten die Bundes- und Landessprecher der Partei eine Teilnahme an Demonstrationen der HoGeSa-Initiative für unvereinbar mit den Prinzipien der AfD und drohten Mitgliedern bei Zuwiderhandlung den Parteiausschluß an.

Keine Festlegung beim Streitpunkt TTIP

Doch davon war in Regensburg nicht mehr die Rede. Es ging tatsächlich um Inhalte: Die Parteispitze einigte sich auf insgesamt neun Themen, die bis zur Bundestagswahl 2017 den Schwerpunkt bilden sollen. Bis zum geplanten Programmparteitag im kommenden Jahr sollen die Fachausschüsse der Partei zu den Themen Islamismus, Asyl, innere Sicherheit, Freihandelsabkommen TTIP, Bankenunion, Demokratie, Außenpolitik sowie Familien- und Rentenpolitik Konzepte erarbeiten, die im politischen Meinungskampf bestehen können.

AfD-Sprecherin Frauke Petry zeigte sich zufrieden. „Der Vorstand hatte in Regensburg zum erstenmal seit Monaten Zeit, politische Themen grundsätzlich und ausführlich zu diskutieren“, sagte sie der JUNGEN FREIHEIT. „Es war ermutigend zu sehen, wie aktiv sich alle im Vorstand an der Diskussion beteiligt haben.“ Schon unmittelbar nach Ende der Klausurtagung und vor dem Hintergrund des Streits um die HoGeSa-Demonstrationen hatte Lucke die Linie der Partei beim Thema Islamismus verdeutlicht. „Auf unserer Bundesvorstandstagung haben wir unter anderem beschlossen, nicht länger zu tolerieren, wie in Deutschland in Teilen der islamischen Gesellschaft das Grundgesetz und das Rechtssystem mißachtet wird“, teilte Lucke mit.

Einen weiteren inhaltlichen Schwerpunkt will die AfD in der Asylpolitik setzen. „Wir bejahen und verteidigen das Asylrecht“, stellte Pressesprecher Christian Lüth klar. Aber vor dem Hintergrund der explodierenden Zahlen bei den Asylbewerbern bestehe die Gefahr, daß diejenigen, die laut Grundgesetz politisches Asyl bekommen sollen, in der Masse untergingen. Eine ordentliche Prüfung sei häufig nicht mehr möglich. „Deswegen fordern wir eine Renationalisierung des Asylverfahrens sowie eine konsequente Abschiebung abgelehnter Asylbewerber“, sagte Lüth. Auch in der Familienpolitik will die AfD künftig an Profil gewinnen. „Der Staat soll den Rahmen so setzen, daß sich Eltern ohne gravierende finanzielle Nachteile für die traditionelle Familie entscheiden können“, skizzierte Lüth die Vorstellungen seiner Partei.

Keine Festlegung gab es dem Vernehmen nach bei der Haltung zum Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den Vereinigten Staaten. Hier bekräftigte die Partei lediglich ihre Forderungen nach Transparenz. „Bei TTIP lastet eine große Verantwortung auf den EU-Abgeordneten“, sagte Petry mit Blick auf die noch laufenden Verhandlungen.

Entschärft wurde dagegen der Streit um einen möglichen Interessenkonflikt der stellvertretenden AfD-Sprecherin Patricia Casale. Einige Vorstandsmitglieder hatten sich daran gestört, daß Casale für den Europaabgeordneten Marcus Pretzell als Referentin angestellt ist (JF 46/14). Laut Petry soll nun im Zuge der neuen Parteisatzung eine entsprechende Regelung erarbeitet werden.

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