© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/14 / 14. November 2014

DVD: 55 Tage in Peking
Historisch ungenau
Werner Olles

Im Jahr 1900 breitet sich der Geheimbund der „Boxer“ über fast ganz China aus. In ihrem Visier haben die Aufständischen, die China von der Fremdherrschaft der Kolonialmächte befreien wollen, vor allem ausländische Geschäftsleute und Diplomaten, aber auch einheimische Christen, die sie der Kollaboration beschuldigen. Als ein wütender Mob in Peking den deutschen Botschafter auf offener Straße massakriert, überlegen die internationalen Gesandtschaften, wie sie sich in Zukunft verhalten sollen, wenn der Druck durch die gewalttätige Boxer-Bewegung noch weiter zunimmt.

Tatsächlich erfolgt bald darauf der Angriff der Aufständischen auf das Diplomatenviertel. Gegen eine gewaltige Übermacht von mehreren zehntausend Boxern verteidigen die zahlenmäßig weit unterlegenen Truppen der Gesandtschaften unter Führung des britischen Diplomaten Arthur Robertson (David Niven) und des US-Offiziers Matt Lewis (Charlton Heston) in einem listigen und heroischen Verzweiflungskampf ihre Stellungen. Nach 55 Tagen endet die Belagerung, als der Ersatz der alliierten Verbände eintrifft und die Eingekesselten befreit.

Nicholas Rays „55 Tage in Peking“ (55 Days at Peking, 1963) ist ein aufwendiger Monumentalfilm, bemerkenswert vor allem in der Starbesetzung, der grandiosen Ausstattung, der Kameraarbeit von Jack Hildyard und Manuel Berenguer, der eindrucksvollen Musik von Dimitri Tiomkin („High Noon“) und den großartigen Kampfszenen. Das in der Handlung weitgehend frei erfundene Heldenepos ist allerdings historisch recht ungenau. So wurde der deutsche Botschafter keineswegs von einer Horde Boxer gelyncht, sondern von einem Offizier der kaiserlichen chinesischen Armee erschossen. Nicht thematisiert wird auch das oft demütigende Verhalten der Kolonialmächte gegenüber den Chinesen, das die Entwicklung des Boxer-Geheimbundes förderte. Und schließlich standen an der Spitze der alliierten Befreier keine amerikanischen Marines, sondern deutsche Truppen, die auch die Hauptlast des Einsatzes trugen. Frei erfunden ist ebenfalls die Liebesgeschichte zwischen dem US-Major Lewis und der schönen russischen Baronin Natalie Ivanoff (Ava Gardner), die dann auch genregerecht in seinen Armen stirbt.

DVD/Blu-ray: 55 Tage in Peking. Koch/Media 2014, Laufzeit etwa 155 Minuten

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