© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/14 / 14. November 2014

„A brave man“
Erster Weltkrieg: Vor hundert Jahren wurde der deutsche Spion Hans Lody in England erschossen
Georg Thiele

Anfang November 1914 starb Hans Lody durch die Kugeln eines britischen Erschießungskommandos im Tower von London. Lody hatte sich bei Kriegsausbruch im August 1914 dem Marinenachrichtendienst als Spion zur Verfügung gestellt. Da er in erster Ehe mit einer US-Amerikanerin verheiratet gewesen war, sprach er englisch mit US-Akzent.

Die Vorbereitung zu Lodys Agenteneinsatz war improvisiert. Der Chef des deutschen Marinenachrichtendienstes, Fritz Prieger, war sehr froh über Lodys Angebot, weil zu Jahresbeginn zahlreiche deutsche Agenten in Großbritannien aufgeflogen waren. Zunächst hatte die Marine seine Dienste abgelehnt und ihn erst nach einem erneuten Vorstellen angenommen. Lody hatte sich selbst einen US-Paß auf den Namen Charles A. Inglis bei der Berliner Botschaft der USA „besorgt“. Der Marinenachrichtendienst übergab ihm einen Code, damit er seine Nachrichten entsprechend verschlüsseln konnte. Lody sollte diese an eine Briefkastenanschrift in Stockholm senden.

Der angehende Spion verließ Deutschland Richtung Dänemark, nahm dann die Fähre nach Norwegen und schiffte sich dort auf einem Passagierdampfer Richtung Newcastle ein. Am 27. August 1914 ging er dort ohne Schwierigkeiten an Land. Der britische Geheimdienst hatte keinen Verdacht geschöpft – noch nicht. Lody mietete sich im „North British Hotel“ in Edinburgh direkt am Bahnhof ein. Morgens bestieg er dann den öffentlichen Bus und fuhr in den Hafen. Von dort aus konnte er die Flottenbasis Rosyth beobachten.

Nach fünf Tagen gab er sein erstes Telegramm noch Stockholm auf: „must cancel. Johnson very ill. Lost four days. Shall eav shortly. Charles.“ Bei der deutschen Marine wußte man nun, daß vier Kriegsschiffe sich in Rosyth zur Überholung im Dock befanden und im Firth of Forth mehrere große Einheiten lagen, die in Kürze auslaufen würden. Daraufhin wurde „U 21“ in das Seegebiet vor den Hafen entsandt, und tatsächlich gelang es dem Boot, den leichten Kreuzer HMS „Pathfinder“ am 5. September 1914 zu torpedieren, so daß er sank.

Lody berichtete in weiteren Meldungen über ausgelegte Minenfelder und Artilleriebatterien zum Schutz des Kriegshafens. Schon Lodys erste Meldung scheuchte den britischen Geheimdienst auf. Die Deckadresse „Adolf Buchard in Stockholm“ war dem MI-5 als “Briefkasten“ des deutschen Geheimdienstes bekannt. Lody selbst fühlte sich unsicher nach der Versenkung von HMS „Pathfinder“. Er checkte aus dem Hotel aus und gab dort an, nach Liverpool weiterreisen zu wollen. Tatsächlich hatte er aber inzwischen die Bekanntschaft einer englischen Lady gemacht, später erfuhr der MI 5, daß er zeitweilig bei einer Mrs. Julia Brown wohnte.

Auch seine Verhaltensmuster änderte Lody. Statt mit dem Bus fuhr er nun täglich mit einem gemieteten Fahrrad in den Hafen, um das Geschehen in Rosyth zu beobachten.

Trotz seiner Sorgen, entdeckt zu werden, ließ er nun gelegentlich seine bisher gezeigte Sorgfalt fahren. Die Briefe und Telegramme faßte er gelegentlich in Deutsch ab und vergaß zudem, sie zu verschlüsseln. Schließlich veranlaßte ihn die Furcht vor dem Entdecktwerden zu einem weiteren Quartierwechsel. In der damals noch zu Großbritannien gehörenden irischen Hauptstadt Dublin fühlte er sich besser aufgehoben. Zu Unrecht, wie er bald merkte, denn Lody speiste am 2. Oktober 1914 gerade zu Abend im „Great Southern Hotel“, als mehrere Polizisten in das Hotel eindrangen und ihn verhafteten.

Britisches Gericht klagte ihn wegen Hochverrats an

Lody behauptete beharrlich, US-Amerikaner zu sein. In seinem Hotelzimmer fanden die Engländer deutsche Goldmünzen, ein Notizbuch mit einer Abschrift seines ersten Telegramms, Adressen in Deutschland sowie die Entwürfe seiner Berichte. Er hatte zudem ein Jackett mit dem Firmennamen eines Berliner Schneiderateliers und dem Namen Carl Hans Lody liegenlassen. Die britischen Sicherheitsorgane schafften ihn nach London.

Dort wurde er verhört, es folgte ein Prozeß wegen Hochverrats in der Wellington-Kaserne in London. Dieser Straftatbestand war allerdings konstruiert, denn Lody war schließlich kein Brite, der die Interessen des eigenen Landes verraten hatte. Dennoch war die Verurteilung eines entdeckten Spions in Kriegszeiten nicht außergewöhnlich. Am 2. November 1914 fand die Gerichtsverhandlung statt. Seine Auftraggeber verschwieg er bis zuletzt, was dem Gericht Respekt abnötigte. Lody bestand darauf, kein Spion, sondern deutscher Marineoffizier zu sein und als solcher gehandelt zu haben. Das Gericht folgte ihm in dieser Frage und ersparte Lody die schmähliche Hinrichtung am Galgen durch den Strick. Stattdessen ordnete es die Hinrichtung Lodys durch ein Erschießungskommando an. Lody durfte auch Abschiedsbriefe an Ehefrau und Freunde verfassen. Am 6. November 1914 wurde er um sechs Uhr morgens geweckt. Der Führer des Erschießungskommandos gab ihm die Hand und verabschiedete sich von ihm mit den Worten: „I will shake hands with a brave man.“

Nach Hans Lody benannte die Deutsche Kriegsmarine ihren Zerstörer Z 10. An einigen Orten in Deutschland wurden nach 1918 Straßen nach ihm benannt und Gedenktafeln enthüllt. Nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg wurden diese allerdings umbenannt. Auch in Lübeck zerstörten kommunale Autoritäten das Lody-Denkmal und ließen die Lody-Plakette am Burgtor abhängen. Allerdings unterband der britische Stadtkommandant diesen würdelosen Umgang mit der deutschen Vergangenheit. Dabei ist es bis heute geblieben, obwohl es seither an Bemühungen – von allem linker Politiker – nicht mangelte, die Plakette doch noch abzuhängen.

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