© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/14 / 21. November 2014

Der Schoß ist fruchtbar noch
Grüne und Pädosexualität: Aus den Fehlern der Vergangenheit hat die Partei im Prinzip nichts gelernt
Michael Paulwitz

Viel Wohlwollen haben die Grünen in den ihnen ohnehin nicht feindlich gesonnenen Medien für die Aufarbeitung ihrer pädosexuellen Umtriebe und Verirrungen in den siebziger und achtziger Jahren erfahren. Und in der Tat haben sie sich in dem Gutachten des von ihnen selbst beauftragten und bezahlten Göttinger Politikwissenschaftlers Franz Walter eine Menge unangenehmer Wahrheiten um die Ohren schlagen lassen müssen.

Mit der Vorstellung des Abschlußberichts, Bedauernsgesten und „Entschuldigungen“ der Parteivorsitzenden Simone Peter an die Opfer und einer absehbaren „Nun ist’s aber auch gut“-Parteitagsdebatte am kommenden Wochenende ist das Thema „Grüne und Pädosexualität“ allerdings noch lange nicht erledigt. Denn der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch, und die eigentliche Lektion haben die Grünen bis heute nicht gelernt. Einige Mythen sind widerlegt, neue werden gestrickt. Nein, die Grünen waren nicht Opfer eines ominösen „Zeitgeistes“, dem sie im blinden Glauben an „fortschrittliche“ Sexualwissenschaftler hinterhergelaufen wären, die die „Befreiung“ und „Demokratisierung“ der „Gesellschaft“ durch ein Niederreißen aller Schranken und Grenzen bei der vermeintlichen sexuellen Selbstverwirklichung gepredigt hätten. Die Politisierung der Sexualität gehört zum eisernen Bestand der Achtundsechziger, die diese Strömungen wie in einem Brennglas aufgenommen haben. Der von der Walter-Studie zitierte Wilhelm Reich, der „freien Sex“ mit Aufklärung und Antifaschismus gleichsetzte und „befreite Sexualität“ auch der Kinder als Patentrezept im Kampf gegen den autoritären, faschistischen Charakter und für die „herrschaftsfreie Gesellschaft“ empfahl, war nicht irgendwer, sondern ein Säulenheiliger der Achtundsechziger-Bewegung. Wundert es da, daß dieses Gedankengut sich zusammen mit den Achtundsechziger-Kadern, die bald nach der Gründung bei den Grünen die Macht übernahmen, sich in dieser ihrer Generationenpartei ausbreitete?

Auch die dankbar aufgegriffene Lesart, die Grünen hätten eben ein Herz für alle möglichen „Minderheiten“ gehabt, die sich als ausgegrenzt und verfolgt stilisierten, so eben auch für die bei der Schwulenbewegung angedockten Pädosexuellen, hat eine andere Seite, wie auch die Studie festhält: Man betrachtete sie ganz strategisch als Teil des „organisatorischen Vor- und Umfelds“, das man pflegte, weil man auf dem langen Marsch zur Macht so schnell wie möglich über die Fünfprozenthürde wollte. Als das so nicht aufging und das Ziel ohne die schrillen Verbündeten leichter erreichbar schien, setzte man sich schon in den Achtzigern wieder äußerlich ab. So banal ist Politik manchmal.

Daß dieser Rückzug bereits damals eher taktisch als von höherer Einsicht getragen war, bestätigt die feindselige Ablehnung und Blockadehaltung, auf die die Autoren der Studie nach eigenem Bekunden während ihrer Recherchen bei grünen Alt-Politikern gestoßen sind. Die Trittins und Cohn-Bendits sehen ja bis heute nicht ein, daß sie auf ein falsches Gleis geraten sein und mehr als nur taktische Fehler gemacht haben könnten.

Warum auch, wenn doch ihre ganze Partei, nur mit geänderter Wagenreihung, nach wie vor mit Volldampf auf diesem Gleis unterwegs ist. Da mögen die jüngeren Grünen-Funktionäre noch so oft ihr Unverständnis beteuern, wie man seinerzeit nur auf solche Ideen kommen und die Straffreiheit von pädosexuellen Kontakten fordern konnte: Die dahinterstehenden ideologischen Grundüberzeugungen, daß Sexualität eine politische Angelegenheit sei, daß Sexualpolitik ein Mittel zur Gesellschaftsveränderung im linken Sinne sei und „sexuelle Befreiung“ daher schon ein Wert an sich, haben sie mit der Muttermilch aufgesogen und verinnerlicht.

Das erklärt das scheinbare Paradoxon, daß dieselbe Partei, die jetzt den Kopf über die Ausflüge ihrer Altvorderen in die Abgründe der Pädophilenszene schüttelt, heute nichts dabei findet, überall dort, wo sie an die Macht gekommen ist, über „Bildungspläne“ und „Toleranz“-Programme die Frühsexualisierung von Kindern voranzutreiben. Dabei hat sich der Fokus nur leicht verschoben: Die Generation von Volker Beck und Cohn-Bendit hatte ein Herz für Pädosexuelle und wollte sexuelle Kontakte zwischen Kindern und Erwachsenen „entkriminalisieren“, heute schickt man Homosexuellenfunktionäre und Sexualpädagogen in Grundschulen und Kindergärten, um schon die Kleinsten ohne Rücksicht auf angeborene Schamgefühle mit den abseitigsten sexuellen Orientierungen und Vorlieben zu konfrontieren und sie zur „Akzeptanz“ und totalen Beliebigkeit zu dressieren. Ein Angriff auf das alte linke Feindbild „bürgerliche Familie“, um dem Traum von der bindungslosen totalindividualisierten Gesellschaft näher zu kommen, ist beides.

Sogar die pseudowissenschaftlichen Stichwortgeber sind fast dieselben: In den Siebzigern und Achtzigern huldigte man dem homosexuellen Psychologen Helmut Kentler, der die Segnungen der Pädophilie für „verwahrloste Jugendliche“ pries. Kentlers Schüler wie der Vorstand der Gesellschaft für Sexualpädagogik Uwe Sielert oder die Kasseler Professorin Elisabeth Tuider verfassen heute die Theoriewerke und Lehrmaterialien für die Gender-Sexualpädagogik der „Vielfalt“, die rote und grüne Kultusminister dann in ihre Curricula schreiben.

Dem systematischen Kindesmißbrauch im Namen politischer Ideologie leisten die einen wie die anderen Vorschub. Unwahrscheinlich, daß die Grünen sich kritisch damit auseinandersetzen, wie sie mit „Gender Mainstreaming“- und „Diversity“-Propaganda nur konsequent fortführen, was ihre in Mißkredit geratenen Altvorderen begonnen haben. Um so notwendiger ist es, ihrem heutigen Treiben entschieden entgegenzutreten, sie mit ihrer Schizophrenie zu konfrontieren und sie mit der historisierenden Entsorgung ihrer befleckten Ursprünge nicht davonkommen zu lassen.

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