© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/14 / 21. November 2014

Kommunikation im Hinterzimmer
Enthüllungsbuch: Zwei „Stern“-Journalisten entschlüsseln das Beziehungskonto des Finanzdienstleisters Carsten Maschmeyer
Christian Dorn

Von dem Psychoanalytiker und Publizisten Hans-Joachim Maaz stammt eine erhellende Analyse des damaligen brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) über dessen mutmaßliche Stasi-Verstrickung. „Einer wie Stolpe mußte gar nicht erst ein IM werden, um ein IM zu sein“, heißt es 1992 darin unter anderem. Dieses Diktum über die Vergangenheit des möglichen IM „Sekretär“ verweist auf die gängige Praxis heutiger Hinterzimmerpolitik. Was früher in der Politik als Seilschaft berüchtigt war, hat nun unter dem Schlagwort Netzwerk eher den Nimbus wertneutraler Effizienz und persönlicher Cleverness.

Ähnlich verhält es sich mit jener Art schleichender Korruption, die bei dem einstigen AWD-Chef und Drückerkönig Carsten Maschmeyer unter dem Begriff „Beziehungskonto“ firmiert. Dessen „Einzahler“ waren vor allem zwei ehemalige Ministerpräsidenten aus Niedersachsen: Gerhard Schröder (SPD) und Christian Wulff (CDU). Bei beiden ist die Abwahl als Bundeskanzler beziehungsweise der Sturz als Bundespräsident entweder inhaltlich oder zeitlich eng verknüpft mit dem dubiosen Einwirken des einstigen Finanzdienstleisters Maschmeyer.

Mit Ursula von der Leyen die Leiche geteilt

Dieser läßt sich offenbar nicht nur die Freundschaften in der Politik viel kosten, auch die unterschwellige Beeinflussung der Öffentlichkeit hat ihren Preis. So heuerte der Finanzunternehmer Maschmeyer im Frühjahr 2014 Fachkräfte von der Münchner Agentur CNC an, die für ihre Krisenkommunikation Honorarsätze von bis zu 850 Euro pro Stunde veranschlagt, um vor Veröffentlichung eines kritischen Stern-Beitrags der deutschen Medienlandschaft seine Sicht der Dinge zu vermitteln. Vermutlich wäre diese „Black PR“ auch tätig geworden, um die Veröffentlichung des nun erschienenen Enthüllungsbuches „Geld – Macht – Politik“ der Stern-Journalisten Wigbert Löer und Oliver Schröm zu behindern, das Ende vergangener Woche in Berlin vorgestellt wurde. Anders ist es kaum zu erklären, daß der Verlag die Buchpräsentation erst unmittelbar vor dem Termin bekanntgab.

Für ihr Buch haben die Autoren zahllose interne Papiere von „Whistleblowern“ ausgewertet, darunter eine Datei mit 240.000 AWD-Kundendaten, die ausgedruckt 9.000 Seiten Papier entspricht, und persönliche Briefe Maschmeyers. Auf dieser Grundlage entschlüsseln Loer und Schröm das enge Beziehungsgeflecht des Finanzunternehmers und einstigen AWD-Chefs Maschmeyer zu Wulff und Schröder, aber auch zur heutigen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), mit der Maschmeyer sich im Anatomiekurs einst eine Leiche teilte. Auch der derzeitige Ministerpräsident Niedersachsens, Stephan Weil (SPD), kann zum Freundeskreis Maschmeyers gezählt werden.

So belegt das Buch zum Beispiel minutiös, wie sich Maschmeyer 2005, noch vor der Vertrauensfrage Gerhard Schröders im Bundestag, mit der er Neuwahlen herbeiführte, die Rechte an dessen Autobiographie für den Fall seiner Abwahl sicherte: Für eine obszön hohe Bruttosumme von zwei Millionen Euro. Da diese durch den Verkauf der Buchrechte niemals von Maschmeyer erlöst werden konnte, liegt der Verdacht nahe, daß es sich hier um eine Gefälligkeitszahlung handelt, ein Dankeschön für die Reform der Riester-Rente, die zum wesentlichen Verkaufsprodukt des sich als „unabhängig“ ausgebenden Finanzdienstleisters AWD werden sollte, dessen Verkauf an den Schweizer Konzern Swiss Life Maschmeyer letztlich zum Milliardär machte.

„Beim Geld beginnt die Freundschaft“, kommentierte die Frankfurter Allgemeine die mit der Buchveröffentlichung bloßgelegte Maschmeyer-Methode. Die moralische Fragwürdigkeit dieser Beziehung erweist sich allein schon aus den über zehntausend AWD-Opfern, die ihr Vermögen bei dem Finanzdienstleister verloren haben. Obwohl etwa die Zeitschrift Finanztest seit Mitte der neunziger Jahre vor den AWD-Produkten warnte, suchten Politiker wie Gerhard Schröder und Christian Wulff seine Nähe und revanchierten sich für Maschmeyers Gefälligkeiten mit Gastauftritten von sich und ihren politischen Partnern, etwa Bert Rürup und Walter Riester, die Maschmeyers AWD das Siegel der Seriösität verliehen. Wenngleich im juristischen Sinne keine „Korruption“ belegt werden könne, zeige sich hier, so Oliver Schröm, der auch Vorsitzender der Journalistenvereinigung „Netzwerk Recherche“ ist, ein „nicht anständiges“ Verhalten.

W. Löer/O. Schröm: Geld. Macht. Politik. Das Beziehungskonto von Maschmeyer, Schröder und Wulff. Droemer Verlag, 2014, gebunden, 314 Seiten, 19,99 Euro

 

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