© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/14 / 21. November 2014

Der Zwarte Piet scheidet die Geister
Niederlande: Kinder feiern Nikolaus und seinen Gehilfen in Gouda / „Antirassisten“ machen mobil
Mina Buts

Über 40.000 Kinder fanden sich trotz Dauerregen und Nebel am Wochenende in der niederländischen Stadt Gouda ein, um die Ankunft des Nikolaus und seines Helfers, des Zwarten Piet, zu feiern. Die Straßen waren gesäumt von Menschen, als die beiden mit ihrem Dampfschiff aus Spanien anlandeten und von Musikkapellen und Tanzdarbietungen begleitet durch die Straßen zogen. Aus dem „Haus der Pieten“ waren zuvor lauter bunte Pieten befreit worden, nicht nur schwarze, sondern auch weiße und als Clowns verkleidete.

Auf dem Weg zum Rathaus, wo der Bürgermeister der Stadt bereits wartete, verteilten die Zwarten Pieten an die verkleideten Kinder Pfeffernüsse und Süßigkeiten, und – ganz neu – auch Käse sowie Stroopwafels, eine niederländische, überaus klebrige und süße Waffelspezialität.

Die bis dahin sehr beschwingte Stimmung kippte, als einige hundert Antifaschisten, Linksextremisten und Surinamesen, organisiert im Aktionsbündnis „Kick out Zwarte Piet“, sich vor das Podium drängten, dort Banner entrollten und skandierten: „Sankt Nikolaus gibt es nicht“, „Zwarte Piet ist Rassismus“, „Kick out Zwarte Piet“. Kleine Kinder, die ihre Gesichter mit Ruß geschwärzt hatten, wurden als „Rassisten“ beschimpft, fingen an zu weinen und mußten von ihren Eltern geschützt werden.Vertreter der „Identitären Bewegung“ versuchten die Bannerträger zurückzudrängen.

Antifa-Störmanöver stoßen auf wenig Gegenliebe

Neunzig Demonstranten wurden festgenommen und erst am Abend gegen Zahlung einer Geldbuße wieder freigelassen. Darunter war auch der beim öffentlichen Fernsehen angestellte Filmmacher Sunny Bergmann. Dieser hatte im vergangenen Jahr für Aufsehen gesorgt, als er ausgerechnet in der englischen Hauptstadt London als „Zwarter Piet“ verkleidet durch die Parks gezogen war. Selbstverständlich stieß er dort auf Unverständnis, denn niemand dort erkannte den schwarzen Helfer des Nikolaus, diese ureigene niederländische und flämische Tradition – für Bergmann ein Beweis für den rassistischen Charakter des „Zwarten Piet“.

Das antifaschistische Störmanöver vom Wochenende erhält in den Niederlanden wenig Zustimmung. Ausgerechnet das Fest für die Kinder als Ort lautstarker und gewalttätiger Auseinandersetzung auszusuchen, kommt bei den liberalen Niederländern nicht gut an. Überall lesen sich Kommentare von Unverständnis und Wut, Blogger machen eine „antiniederländische Mentalität“ aus. Nach neuesten Umfragen ist die Popularität des schwarzen Mannes enorm gestiegen – 93 Prozent der Niederländer möchten ihn doch beibehalten. Auch die diesjährige Ankunft von Nikolaus und „Zwarte Piet“ ist von über 2,3 Millionen Niederländern und damit 30 Prozent mehr als im vergangenen Jahr im Fernsehen verfolgt worden.

Die Diskussion um den „Zwarten Piet“ ist in den Niederlanden nicht neu. Zumeist wird aber übersehen, daß er eigentlich nur deshalb schwarz ist, weil er durch einen Schornstein gekrochen ist. Aber mit Ohrringen und dicken roten Lippen versehen – die er übrigens erst in den letzten Jahren erhalten hat – könnte er eben doch rassistische Stereotypen bedienen. Daher haben bereits im vergangenen Jahr einige Städte angekündigt, auf diese Äußerlichkeiten zu verzichten, andere, wie Julianadorp und Den Helder, allerdings weigerten sich: „Das Nikolausfest ist ein Kinderfest für alle Kinder und hat mit Rassismus nichts zu tun.“ Viel stärker als Nikolaus ist Zwarte Piet der Freund der Kinder, ebenso wie diese ist er albern, fröhlich, immer zu Späßen aufgelegt und außerdem verteilt er lauter kleine Geschenke. Sowohl das Niederländische Zentrum für Volkskultur und immaterielle Kulturgüter als auch die Pietengilde betonten immer wieder, daß die Wahrnehmung des schwarzen Mannes eher positiv sei.

Der Rat des Staates zeigt sich unentschlossen

Wie groß die Unsicherheit bei den Niederländern bezüglich des „Zwarten Piet“ ist, belegt die Tatsache, daß die Stadt Amsterdam in diesem Jahr erstmalig den Rat des Staates, eine Art Bundesverfassungsgericht, angerufen hat, um klären zu lassen, ob ein Empfang des Nikolaus-Begleiters rechtmäßig sei oder nicht. Diese höchste niederländische Rechtsinstitution erklärte, sie könne zwar kein Urteil darüber fällen, ob eine Figur als rassistisch interpretiert werden könne oder nicht, es gäbe jedenfalls keine Bedenken gegen deren Ankunft in Amsterdam. Viele Niederländer haben dies als Persilschein für den Zwarten Piet aufgefaßt, und auch der Ministerpräsident des Landes, Mark Rutte, betonte: „Zwarte Piet ist nicht weiß, daran kann ich nun mal nichts ändern.“

In Flandern, wo Zwarte Piet und Sankt Nikolaus am Wochenende auch Einzug hielten, gibt es übrigens weniger Verständnis für die Pieten-Debatte. Der Vorsitzende der Sankt-Nikolaus-Genossenschaft,

Geert Vandenhende kommentierte: „Eine Märchenfigur, die vor Gericht gezerrt wird? In was für einer Welt leben wir eigentlich?“ Und der Jurist und Rektor der Universität Löwen, Rik Torfs, urteilt: „Die Magie dieses Kinderfestes wird in den Niederlanden in Stücke geschlagen.“ Und weiter: „Ich sehe in Westeuropa eine enorme Veramerikanisierung. Jeder der recht bekommen will, zieht vor Gericht. Ich glaube, die Debatte dreht sich viel eher um Diskriminierung als um den Piet.“

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