© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/14 / 21. November 2014

Einzelhandel schlägt Alarm: Tausende Läden sterben bis 2020
Städte werden veröden
Markus Brandstetter

Wenn Städte schön sind und Menschen sie gerne besuchen, dann tun sie das nicht nur wegen der Lage, der Geschichte, bedeutender historischer Bauten oder toller Museen, sondern auch deshalb, weil sie dort angenehm und gepflegt einkaufen können. Insbesondere die Innenstädte und Fußgängerzonen, zumal wenn sie pittoresk sind und über historisches Flair verfügen, leben von den Geschäften, die es dort gibt und deren weitgefächertem Angebot. Besonders in der Weihnachtszeit ist es schön, über einen historischen Christkindlmarkt zu spazieren, einen Glühwein zu trinken und dabei an möglichst vielen, schön dekorierten, vielleicht sogar edlen Geschäften entlangzubummeln.

Mit solchen Erlebnissen könnte es jedoch bald vorbei sein, denn die Läden in den Innenstädten, insbesondere die kleinen, die zu keinem Konzern und keiner Kette gehören, werden immer weniger. Bis 2020 könnten, sagt Josef Sanktjohanser, der Präsident des Einzelhandelsverbandes HDE, 50.000 Standorte von Geschäften verschwinden. Dies würde, so Sanktjohanser, zu einem Massensterben unter den Läden führen. Über sechzig Prozent der stationären Einzelhändler klagen heute bereits über sinkende Besucherzahlen in ihren Geschäften, und das ist vermutlich erst der Anfang.

Der Grund dafür ist der stetig zunehmende Handel über das Internet. Die Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache. Von 2000 bis 2014 ist der Umsatz im deutschen Einzelhandel praktisch nicht gestiegen und inflationsbereinigt sogar leicht gefallen. Lag der Gesamtumsatz im Jahr 2000 bei 428 Milliarden Euro, so ist er bis 2014 auf 460 Milliarden Euro gestiegen – ein magerer Zuwachs von absolut 32 Milliarden Euro oder sieben Prozent. Ganz anders jedoch sieht das Bild beim Online-Handel aus. Dessen Gesamtvolumen lag 2000 bei mickerigen zweieinhalb Milliarden Euro. Soviel hat der stationäre Handel damals an zwei Tagen umgesetzt. In diesem Jahr jedoch wird der Handel über das Internet 40 Milliarden Euro ausmachen. Richtig: Das ist immer noch weniger als ein Zehntel dessen, was echte Geschäfte mit echten Menschen darin umsetzen, aber der Knackpunkt liegt in der Steigerung. Während das Volumen des stationären Handels seit vierzehn Jahren stagniert, haben sich die Umsätze des Internethandels in derselben Zeit versechzehnfacht. Gewiß wird es nicht immer so weitergehen, aber Experten rechnen auf Jahre hinaus mit einem weiteren Wachstum des Onlinehandels.

Nicht alle Städte sind im selben Ausmaß betroffen. Eins-A-Lagen in München, Hamburg, Frankfurt, Köln und Düsseldorf werden noch in Jahrzehnten für Laden-inhaber und Einkäufer hochattraktiv sein, aber in Klein- und Mittelzentren mit 30.000 bis 60.000 Einwohnern wird es schon in einigen Jahren zu gewaltigen Veränderungen kommen. Geschäfte werden reihenweise aufgeben müssen, gute und bekannte Fachgeschäfte durch die Filialen von Billigketten ersetzt werden und so manche Innenstadt wird veröden.

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