© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/14 / 21. November 2014

Leserbriefe zum Artikel
Streit um das Selbstverständnis der bündischen Jugend / Kein Platz auf der Burg / von Roland Wehl
(JF)

Plumpe Stimmungsmache

Die JF, Zeitung für Debatte, widmet eine komplette Seite, völlig überflüssig, der Diffamierung kleiner Jugendbünde, namentlich des Freibundes. Außer abwegigen Gedanken zu einem Lied – wobei es dem Autor nach eigener Aussage vorrangig nicht um Lieder geht – ist der Artikel frei von Argumenten und, genau wie der Titel, plumpe Stimmungsmache!

Carola Meyer, Kalletal

 

Bundesinterne Kultur mißachtet

Bei den Auseinandersetzungen im BHJ Ende der achtziger Jahre ging es in einem viel fundamentaleren Sinne um Selbstverständnis, als der Autor glauben machen will: Der Bund reifte seinerzeit zum Freibund, weil er sich nach außen hin sein gutes Recht zur kollektiven Willensbildung und autonomer Entscheidung erstritten hat und weil er nach innen von seinen Mitgliedern Respekt vor den Mehrheitsentscheidungen eingefordert hat. Es ging also nicht um verschrobene Begriffe, wie der Artikel sie nennt, sondern darum, eine bundesinterne Kultur des Rechtes gegen Egoismus, Willkür und externe Gängelung durchzusetzen.

Mittels einer solchen Rechtskultur kann man auch über ein Bundeslied selbstbewußt diskutieren, ohne über das JF-Forum die Führung der Burg Ludwigstein zu bitten, Druck auszuüben.

Dr. Karsten Niefind, Köln

 

Für Demokratie und Freiheit

Das Lied „Nur der Freiheit gehört unser Leben“ wurde 1935 von Hans Baumann geschrieben, damals NSDAP-Mitglied. Es stellt einen positiven Bezug zu Freiheit, Gemeinschaft, bäuerlichem Leben und unserem Land her. Für die Nationalsozialisten ein willkommener Stoff, da ein positiver Bezug zur eigenen Ideologie hergestellt werden konnte. Inhaltlich ist es jedoch als unpolitisches Lied zu sehen, welches von Bündischen jeglicher Couleur und auch Widerständlern und Sozialisten gesungen wurde. Nur deshalb hat es auch nach dem Zweiten Weltkrieg eine so große Verbreitung gefunden. Inspiriert zu seinen Liedern wurde Hans Baumann in seinen Jugendjahren im katholischen Bund Neudeutschland, der in der Tradition der bündischen Jugendbewegung stand und wie andere bündische Gruppierungen im Dritten Reich aufgelöst wurde.

Im Freibund wird das Lied meines Wissens in einer gekürzten Form gesungen, die eine offensiver formulierte und möglicherweise falsch zu interpretierende Strophe nicht enthält. In den vergangenen Jahren haben Freibünder in zahlreichen Gesprächen und Erklärungen mehr als viele andere deutlich gemacht, daß sie für Demokratie und die Freiheit der Andersdenkenden eintreten. Nichts liegt ihnen ferner als eine Verherrlichung des Nationalsozialismus und die Verhöhnung seiner Opfer! Häufig mußten sie sich aufgrund von Verbindungen zum Umfeld der JF rechtfertigen. Die Veröffentlichung des Artikels von Roland Wehl mit seiner moralisierenden, inkonsistenten Argumentation ist nicht nur unverständlich, sondern auch enttäuschend. Folgt man dieser Logik, müßten auch unsere Nationalhymne sowie Beethoven und Wagner geächtet werden.

Heike Wagenschein, Hänigsen

 

Völlig falsche Voraussetzungen

Ganz offenbar gehen Sie von völlig falschen Voraussetzungen aus, wenn Sie bündische Jugend und deutsche Jugendbewegung als noch gegenwärtig annehmen. Die historische deutsche Jugendbewegung umfaßte etwa den Zeitraum von 1900 bis 1933 und die bündische Jugend, die sich aus Wandervogel und Pfadfindertum heraus entwickelte, ist in diesen Gesamtbegriff eingeschlossen.

Zu dem „Streit“ um Burg Ludwigstein aber möchte ich eine Einschätzung geben, da ich den Trägern der Nachkriegsentwicklung auf Burg Ludwigstein noch persönlich begegnet bin, so Enno Narten, Walther Jantzen, Hans Wolf und anderen. Hans Wolf hat das Archiv der Jugendbewegung aufgebaut, mit großem Einsatz und mit der Hilfe der Erlebnisgeneration der historischen Jugendbewegung.

Ein zeitgeistig motivierter Einbruch in diese Entwicklung begann mit dem Auftauchen des seinerzeit hauptamtlichen Archivars Dr. Mogge, der zuvor schon auf der katholischen Quickborn-Burg Rothenfels wegen seiner engstirnigen Geschichtssicht und der damit verbundenen Agitation gescheitert war. Gleich zu Beginn seines Aufenthaltes entwickelte er mir damals seine Vorstellung von der Umfunktionierung der Traditionsburg des Wandervogels in eine Bildungsstätte mit ideologischem Anliegen, im Sinne sozialistischer Geschichtsauffassung. Der Archivbeirat und die Trägergemeinschaft waren schnell unterwandert, und die dauerhafte Vereinnahmung der Burg scheiterte nur daran, daß der neue Archivar aufflog, als er gezielt Spendengelder veruntreute und schließlich eine enge Mitarbeiterin erwürgte, möglicherweise aus Angst vor der Aufdeckung seiner Machenschaften.

Mit diesen Ereignissen war zunächst der Aufbau linker Netzwerke gescheitert und traditionell geprägte Jugendgruppen fanden wieder Raum auf Burg Ludwigstein, deren jugendbewegtem Hintergrund sie sich verbunden fühlten. Was sich nun heute im „Streit“ um die Burg zeigt, sind lediglich Nachklänge der schon überwundenen Richtungskämpfe der späten sechziger Jahre, wobei sich die Oberflächlichkeit, Mittelmäßigkeit und mangelnde Sachkenntnis der Kontrahenten auch in der Berichterstattung über die gegenwärtigen Ereignisse spiegeln.

Tatsächlich aber geht es darum, daß Burg Ludwigstein durch eigene Leistung wirtschaftlich überleben kann, und wünschenswert wäre dabei ein Bekenntnis zur Gründergeneration und ihrer lebenslangen Opferbereitschaft, unter Verzicht auf die Verteilung von zeitbedingten Zensuren. In diesem Zusammenhang ist ja auch die erwähnte „Aufarbeitung“ des Herrn Niedermeyer nicht mehr als ein Aufwärmen der unhaltbaren und längst vergessenen These vom „Gift der Blauen Blume“ aus den sechziger Jahren. Roland Wehl darf ich vielleicht noch sagen, daß sich das Selbstverständnis von Jugend der Belehrung und Bevormundung durch nicht zugehörige Erwachsene zweifellos und glücklicherweise entzieht.

Fritz-Martin Schulz, Burg Waldeck, Dommershausen

 

Zwei Aspekte der Freiheit

Denunziert werden ein einzelner Bund, ein Dichter und ein Lied. Die polemische Fragestellung, an wessen Freiheit der Dichter gedacht habe, verbunden mit der Bezugnahme auf Verfolgte, ist in meinen Augen grobes Unverständnis, mag das auch noch so weit verbreitet sein. Schon immer gibt es zwei Aspekte der Freiheit: die des Individuums gegenüber der Gesamtheit, und die der Gesamtheit des Volkes und Staates nach außen. Wer wollte bestreiten, daß Deutschland außenpolitisch mit Versailles seine Freiheit eingebüßt hatte? Nur auf diese Freiheit Deutschlands kann sich der Aufruf in Baumanns Lied beziehen.

Im übrigen hat Hans Baumann als begnadeter Dichter und Komponist Kampflieder genauso geschaffen wie Lieder über die Natur, die so sehr Volkslieder geworden sind, daß die Sänger sie nicht mehr mit dem Namen des Dichters verbinden.

Ernst S. von Heydebrand, Vallendar

 

Notwendige Empfehlungen

Der Artikel von Roland Wehl ist als eine sowohl provokante als auch notwendige und legitime Empfehlung an einen Teil des nationalkonservativen Lagers zu verstehen, ideologische Scheuklappen abzulegen und die eigenen Wertvorstellungen zu hinterfragen. Und im speziellen betrifft diese dringende Empfehlung eben auch den Freibund, der seit 1990 als bündisch verstanden werden möchte und sich selbst als bündisch versteht.

Wer sich als bündisch definiert, wird schwerlich am bündischen Widerstand (mit all den fließenden Übergängen zum patriotischen Widerstand der „Weißen Rose“ bis hin zu dem der Kreise um Stauffenberg) während der Naziherrschaft vorbeikommen, denn dieser Widerstand ist letztlich die Grundlage und das Fundament aufrichtigen bündischen Lebens nach 1945. Wer den bündischen Widerstand als Bund oder Gruppe nicht ehrt, hat nicht den Kampf derjenigen Kinder und Jugendlichen begriffen, die damals für ein neues Deutschland und vor allem erstmal für die Rettung Deutschlands eintraten, die teilweise unvorstellbare Repressalien in Kauf nahmen, um dem damaligen verbrecherischen System ein Schnippchen zu schlagen, um es letztlich zu überwinden.

Denn die, für die Baumann einst das von Wehl kritisierte Lied schrieb, das immerhin als Bundeslied des Freibundes hohen Symbolcharakter trägt, waren die, die einst auch die Bündischen als Asoziale brandmarkten und aus ihrem Arkanum vertrieben und einsperrten.

Gerade die Liebe zur Heimat, die Liebe zum Eigenen, ja die Liebe zu Deutschland bedingt die unzweifelhafte Überwindung all dessen, was das Bündische einst in Frage stellte und zu zerstören trachtete.

Hanno Borchert, Hamburg

 

Ein deutsches Phänomen

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstanden überall in Europa unterschiedliche Jugendbewegungen, die sehnsüchtig aus der engen, miefigen bürgerlichen Welt herausdrängten und das Glück in freier Natur suchten. In fast allen europäischen Ländern, insbesondere in England, wurde diese Jugendbewegung als Pfadfinderschaft gegründet und schon sehr früh staatlicherseits kanalisiert, militärisch geordnet und mit einer pyramidal aufgebauten Führungsstruktur versehen, durchsetzt mit „Berufsjugendlichen“.

Im deutschsprachigen Raum war es genau umgekehrt. Hier herrschte eher das anarchische Prinzip einer äußerst kreativen Vielfalt vieler kleiner Fahrten-, Zelt- und später auch Koten-, vielmehr Feuerzeltgemeinschaften, die überschaubare kleine Bünde, fast schon Cliquen bildeten. Berufsjugendliche hatten da keine Chance. In dem bekannten bündischen Lied: „Hau ab, du alter Sack und laß uns hier jetzt allein“ findet das seinen deutlichen Ausdruck.

Außer der „Meißner-Formel“ kann von einem allgemeinen Selbstverständnis, wie Wehl meint, überhaupt nicht die Rede sein. Wehl bezieht sich recht einseitig auf Christian Niemeyers Buch „Die dunklen Seiten der Jugendbewegung“. Die bündische Jugendbewegung war ungemein vielfältig.

Ulrich Behrenz, Hamburg

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen