© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/14 / 28. November 2014

Mit Energiegeräten gegen die Feindstaatenklausel
Außenpolitik: Eine „Friedenskonferenz“ in Berlin wirbt um Verständnis für Rußland und geht hart mit den Vereinigten Staaten ins Gericht
Lion Edler

Ist Jürgen Elsässer nun ein „Linker“ oder ein „Rechter“? Wenn man die Einladung der von ihm initiierten Konferenz „Frieden mit Rußland“ betrachtet, dann wohl immer noch ersteres. Eine weiße Friedenstaube fliegt dort auf einer Bildmontage zwischen Bundestag und russischem Zwiebelturm. Es soll eine „Friedenskonferenz“ sein, die neben ehemaligen Linkspartei-Mitgliedern auch Konservative und AfD-Anhänger anzieht. Gemeinsamer Nenner: massive Vorbehalte gegen die Außenpolitik der Vereinigten Staaten, die von Kritikern als antiamerikanisch und verschwörungstheoretisch gewertet werden.

Elsässer, der das Monatsmagazin Compact herausgibt (siehe auch Seite 12), weist solche Vorwürfe zurück. Es gehe stattdessen um „Mut zur Wahrheit“ – so lautet der Schriftzug auf der Bühne. Ein Satz, den Elsässer von der AfD übernommen hat. Wer sich am vergangenen Sonnabend in die Konferenzräume des Berliner Maritim-Hotels begibt, der sieht die Kritik an der Veranstaltung zumindest bei einem Teil der Gäste bestätigt. Vor dem Konferenzsaal wirbt ein Mann für sogenannte „Energiegeräte“, die „entgiftend und verjüngend in einem“ wirken und dabei Krankheiten wie Rheuma und Epilepsie heilen sollen.

Im Saal ist Elsässer schon richtig in Fahrt. Der Publizist bezeichnet die Grünen als die „gefährlichste Partei in Deutschland“ und erntet dafür „Bravo“-Rufe. Oder wenn er meint, in der DDR habe es den „verordneten Antifaschismus“ gegeben, während in der EU die „Political Correctness als Denksystem“ vorherrsche. Und überhaupt: Mit den Sanktionen gegen Rußland wollten die Vereinigten Staaten auch Deutschland treffen und „unsere Wirtschaft ruinieren“. Während es früher ständig Friedenskonferenzen von Grünen, KPD, Jusos und Kirchen gegeben habe, habe sich der Großteil dieser Leute nunmehr „von der Nato einkaufen lassen“. Als Elsässer mehrdeutig fragt, ob die Bundesrepublik Deutschland „überhaupt ein Staat“ sei, brandet Beifall auf. Die Amerikaner, sagt Elsässer, müßten „unsere Freunde sein, aber nicht unsere Besatzer. Deshalb sage ich: ‘Yankee, go home.’“

Mit solchen Sprüchen ist Elsässer in seinem Element. Doch unter den Konferenzgästen und Referenten sind auch Gemäßigte, die man nicht in die sektiererische Ecke stellen kann. Zum Beispiel Alexander Gauland. Der Vizeschef der AfD zeigte sich „sehr dankbar“ dafür, daß der frühere SPD-Chef Matthias Platzeck sich für ein Ende der Rußland-Sanktionen ausgesprochen habe. Man wisse doch, so Gauland, „daß die Krim nie wieder zur Ukraine zurückkehrt. Das ist russisches Land.“ Gerne hätte Gauland selbst die Worte von Platzeck gesprochen, doch „parteipolitische Rücksicht“ habe ihn davon abgehalten.

Schachtschneider warnt vor drohender Weltherrschaft

Der AfD-Politiker sagt aber auch, daß er weder „Anti-Amerikaner“ noch „Putin-Versteher“ sei. Er verstehe sich als „Anhänger der Westbindung“, wie sie in den Leitlinien der AfD stehe. Dafür bekommt Gauland hier keinen Applaus.

Radikalere Kritik am Westen kam vom ehemaligen Bundesforschungsminister Andreas von Bülow (SPD). Die vielen „Amerika-Versteher in diesem Land“ müßten sich „mal mit der verdeckten amerikanischen Politik beschäftigen“, polterte der Ex-Minister. Stürmischen Applaus erhält Bülow, als er ein „deutsch-russisches Jahrhundert“ fordert.

Der Staatsrechtslehrer Karl Albrecht Schachtschneider sieht gar eine drohende „Weltherrschaft der Vereinigten Staaten von Amerika“, während Putin ein „kluger, besorgter und besonnener Mann“ sei. Ein grundsätzliches Problem der deutschen Außenpolitik bestehe darin, daß die Feindstaatenklausel der Vereinten Nationen keineswegs obsolet sei und die deutsche Souveränität durch diverse rechtliche Regelungen eingeschränkt sei.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen