© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/14 / 28. November 2014

Rechtsextreme Einstellungen gehen zurück
Gesellschaftspolitik: Eine Studie zum angeblichen Extremismus der Mitte fördert Ergebnisse zutage, die nicht jedem schmecken
Ekkehard Schultz

Die Bürger scheinen des seit Jahren medial begleiteten „Kampfs gegen Rechts“ langsam überdrüssig zu werden. Glaubt man den Ergebnissen der in der vergangenen Woche von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) veröffentlichten Studie „Fragile Mitte“, sind mittlerweile 52 Prozent der Deutschen der Ansicht, daß „das Thema Rechtsextremismus von den Medien hochgekocht“ werde. Dennoch sieht sich eine Dreiviertelmehrheit (73,4 Prozent) „durch Rechtsextremismus bedroht“. Doch nur die Hälfte befürwortet aktive Gegenstrategien, wie etwa das Blockieren von Demonstrationen. Vielmehr sprechen sich gut 48 Prozent dafür aus, „die Rechten gar nicht zu beachten“.

Erwartungsgemäß stießen diese Ergebnisse der siebten „Mitte-Studie“, für die im Sommer dieses Jahres über 1.900 Personen aller Altersklassen und Parteipräferenzen befragt wurden, sowohl beim Autor der Studie, dem Direktor des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld, Andreas Zick, als auch bei der taz-Journalistin Astrid Geisler auf Unverständnis. Insbesondere die „darin zum Ausdruck kommende Presseschelte“ sei ebenso widersprüchlich wie besorgniserregend, da sich darin „eine Unterschätzung rechtsextremer Gefahren“ zeige.

Weitaus positiver stuften Geisler und Zick hingegen den allgemeinen Rückgang von rechtsextremen Einstellungen in Deutschland ein. So stimmten bei der aktuellen Befragung nur noch acht Prozent der Befragten „ausländerfeindlichen Aussagen“ zu, während 2012 noch rund 25 Prozent derartige Positionen vertreten hätten. Ebenso rückläufig ist der Anteil derjenigen, die den Nationalsozialismus verharmlosen oder sich unter bestimmten Voraussetzungen für die Wiedereinführung einer Diktatur aussprechen. Aber auch als antisemitisch betrachtete Stereotype fanden erheblich weniger Zustimmung als in früheren Jahren. Hierbei sei zu vermuten, daß sich „das gestiegene Problembewußtsein“ an den Schulen sowie entsprechende Gegenmaßnahmen „positiv bemerkbar gemacht haben“, berichtete Zick.

Ebenso wie die vergangenen sechs „Mitte“-Studien der FES sind indes auch diese Angaben mit Vorsicht zu betrachten. Denn ebenso wie in den Jahren zuvor bleiben die Autoren wiederum nicht nur die Antwort auf die Frage nach dem Unterschied zwischen demokratisch rechten beziehungsweise konservativen Positionen und rechtsextremen Einstellungen schuldig. Darüber hinaus wurden zwar im Laufe der Jahre einige formale Änderungen vorgenommen, die jedoch nicht darüber hinwegtäuschen können, daß die ideologisch bestimmten Ausgangspunkte unverändert blieben.

So sehen sich die Autoren auch weiterhin im Kampf mit der klassischen Extremismustheorie. Im Gegensatz zu dieser wollen sie den eigentlichen Bezugspunkt von rechtsextremen Einstellungen nicht am Rande der Gesellschaft, sondern vielmehr in der „normenbildenden und -prägenden Mitte“ erkennen. Nach ihrer Vorstellung ist diese „Mitte“ für extremistische Theoreme wie Chauvinismus, Ausländerfeindlichkeit und Nationalismus ebenso ansprechbar wie das extreme Spektrum selbst, während sie jedoch durch ihre Vorbildfunktion das politische Gesamtklima in einer besonderen Weise präge.

Munition für linke AfD-Kritiker

Es gehört nicht viel Phantasie dazu, um hinter dieser Umschreibung die Unionsfraktionen und ihre Wähler zu verorten, auf die auf diesem Wege politischer Druck ausgeübt werden soll.

So verwundert es nicht, daß auch die Veröffentlichung der neuesten Studie als Steilvorlage für Anklagen an die Adresse der CDU/CSU genutzt wurde. Etwa interpretierte die grüne Bundestagsabgeordnete Monika Lazar die Forschungsergebnisse zur „Fragilen Mitte“ dahingehend, daß die Unionsparteien chauvinistische und sozialdarwinistische Vorurteile „teilweise selbst bedient“ und darüber hinaus „vorhandene gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit öffentlich legitimiert und verstärkt“ hätten.

In noch deutlicherer Form bot die Befragung Kritikern der AfD Gelegenheit zum parteipolitischen Austeilen. Zwischen der Skepsis gegenüber Europa, der Positionierung gegen Minderheiten und weiteren extremen Einstellungen bestehe ein enger Zusammenhang, hatte Zick bei der Vorstellung der Studie betont und auf „vielfältige Übereinstimmungen“ zwischen der Anhängerschaft der AfD und „anderen rechten Parteien“ verwiesen. Daß er damit gegen seinen eigenen wissenschaftlichen Anspruch verstieß, nach dem „nur Beobachtungen über einen längeren Zeitraum belastbare Aussagen“ zulassen würden, schien ihn wenig zu kümmern. Schließlich konnten die Befragten erst in diesem Jahr über mögliche Sympathien für die AfD Auskunft geben.

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