© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/14 / 28. November 2014

Mehr Menschen belasten
Schweiz: Die Ecopop-Initiative will aus ökologischen Gründen die Zuwanderung begrenzen
Volker König

Wer sich um die Natur sorgt und deswegen keinen weiteren Zuzug in seine Heimat haben möchte, weil dies zu mehr Landschaftsverbrauch führt, ist ein Menschenhasser, wenn nicht gar ein „Ökofaschist“. Das ungefähr ist die Haltung des Schweizer Nationalrats der Grünen, Balthasar Glättli, der sich bemüßigt fühlte, ein Buch mit dem Titel „Die unheimlichen Ökologen“ zu verfassen. Ein Projekt gegen eine Volksinitiative „Stopp der Überbevölkerung – zur Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen“, über die die Eidgenossen am 30. November abstimmen dürfen.

Deren Forderungen sind eindeutig: Um die fortschreitende Zersiedlung und Betonisierung des Schweizer Mittellands zu begrenzen, soll der Zuzug aus dem Ausland auf jährlich 0,2 Prozent der Bevölkerung – cirka 16.000 Personen – reduziert werden. Außerdem fordert die Initiative, daß angesichts von jährlich 80 Millionen ungewollten Schwangerschaften in der Dritten Welt zehn Prozent der Entwicklungshilfegelder für freiwillige Familienplanung eingesetzt werden.

Diese Zielsetzungen brachten der Initiative erwartungsgemäß den Ruf der Fremdenfeindlichkeit ein. Auch im Schweizer Nationalrat, wo lediglich der parteilose Abgeordnete Thomas Minder für die Initiative votierte, gab es eine breite Front aller Parteien gegen das Begehren, für das allerdings die notwendigen mehr als 100.000 Unterschriften eingereicht werden konnten.

Der Bewegung „Economie et Population“ (Ecopop), die in den siebziger Jahren während der Diskussion um die Grenzen des Wachstums entstand, pocht jedoch darauf, daß ihre Kritik an weiterer Zuwanderung nichts mit Fremdenfeindlichkeit zu tun habe. Ihr gehe es allein um den zahlenmäßigen Bevölkerungsdruck auf das Land, egal ob es sich dabei um Einheimische oder Zugewanderte handele. Die aus ökologischer Sicht positive Stagnation der autochthonen Bevölkerung dürfe aber nicht durch Einwanderung wieder zunichte gemacht werden. „Mehr Menschen belasten automatisch die Natur mehr“, so Benno Büeler, Präsident des Initiativkomitees.

Während die Ecopop mit ihren rund 1.500 Mitgliedern und ohne große Förderer einen bescheidenen Wahlkampf führte, fuhren ihre Gegner eine millionenschwere Gegenkampagne auf. Linke und Grüne sowie wirtschaftsliberale Wachstumsbefürworter gingen hier eine Allianz ein, die um die Weiterentwicklung der Gesellschaft und Wirtschaft bangt. Auch Christoph Blocher, Chef der Schweizerischen Volkspartei (SVP), sprach sich für die Parteiführung gegen die Ecopop-Initiative aus. Seitdem rumort es an der SVP-Basis. Immer mehr Kantonalverbände geben ein Ja-Votum ab. Nach Basel-Land, Aargau und Schwyz entschieden sich auch die Kantonalparteien von Luzern und Solothurn für Ecopop. Offen Partei ergreift der Präsident des SVP-Jugendverbandes, Anian Liebrand. Für ihn geht es nicht um kurzsichtige wirtschaftliche Befindlichkeiten, sondern um grundsätzliche Fragen: „Um so wichtiger ist ein möglichst hoher Ja-Anteil, damit Bundesbern endlich merkt, daß die Zuwanderungsproblematik dem Volk unter den Nägeln brennt.“

In den Umfragen liegen die Befürworter je nach befragendem Medium zwischen 35 und 50 Prozent. Bei den vorgeblich ökologisch orientierten Grünen-Wählern ist der Befürworteranteil mit 30 Prozent unterdurchschnittlich, bei der SVP-Klientel hingegen mit bis zu 79 Prozent auffallend hoch.

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