© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/14 / 28. November 2014

Von der Antifa war keine Rede mehr
HoGeSa: Bei der Hannoveraner Anti-Salafisten-Demo übten Linksextremisten Gewalt aus – zur Überraschung eines NDR-Reporters, der diese Information für sich behielt
Ronald Gläser

In Köln wurde ein umgekipptes Polizeiauto zum Symbol für die gewaltbereite Hooliganszene. Die erste Kölner HoGeSa-Demo im Oktober ließ bei Medien und Sicherheitsbehörden die Alarmglocken schrillen. Immer wieder flimmerten die entsprechenden Bilder in den Nachrichten. Als drei Wochen später in Hannover am Rande der nächsten HoGeSa-Demo abermals ein Polizeifahrzeug beschädigt wurde, war dies nur eine kleine Meldung. Der Grund: Die Täter waren diesmal Linke gewesen.

Wie neutral können Journalisten sein?

Die deutschen Medien sind voreingenommen, wenn es um radikale Kundgebungen geht: Aufmärsche hier, Protestkundgebungen dort. Neonazis und Ausländerfeinde hier, Aktivisten oder „die Zivilgesellschaft“ auf der anderen Seite. Neutral ist das nicht. Es herrscht gegenseitige Abneigung.

„Wie nah und neutral können Journalisten an eine Demonstration herangehen, wenn dort gerade im Chor gebrüllt wird: ‘Deutsche Presse auf die Fresse!’“ fragt eine NDR-Journalistin nach einer HoGeSa-Demo aufgeregt. Woher kommt dieses Mißtrauen zwischen den Medien und ihrem Publikum? Ein Beispiel aus Hannover zeigt, warum immer mehr Deutsche sich von den Zeitgeistmedien abwenden. Es ist die Geschichte eines NDR-Reporters, der etwas anderes berichtet als das, was er gesehen zu haben scheint. Nur durch Zufall wurde die Sache jetzt bekannt:

Die Stadt Hannover und linke Gruppen wollten die zweite HoGeSa-Demo am 15. November verhindern. Die Stadt scheiterte zwar mit ihrem Verbotsantrag, aber dafür mobilisierte die linksextreme Szene 6.000 Leute für die Gegendemo, doppelt so viele wie die Hooligans. Die Stimmung war aufgeheizt. Eine Bande von Linksextremisten prügelte vier der Hooligans krankenhausreif. Die Polizei ermittelt wegen versuchter Tötung.

Von all dem erfuhr der Zuschauer der Leitmedien zunächst nichts. So meldete etwa das ZDF am 15. November: „Hooligan-Demo endete ohne Krawalle.“ In Wahrheit war es ziemlich ruppig zugegangen. Aber die genauen Umstände paßten nicht zur öffentlich-rechtlichen Annahme, daß die Gewalt stets von den Hooligans ausgeht. Es waren diesmal Linke, die auf Gewalt aus waren. So lauerte eine Antifa-Gruppe auf dem Bahnhof zurückflutenden Hooligans auf. Gespannt warteten dort auch mehrere Reporter. Unter ihnen der Redakteur Stefan S. von NDR Info.

Als die Hooligans zu den Bahngleisen trotteten, tauchten plötzlich die skandierenden Linksradikalen auf. Autonome provozierten mit wehender Antifa-Fahne, gehobenen Mittelfingern und lautstarken Zurufen wie „Wir haben Eure Mütter gef...“ Ein Hooligan warf daraufhin eine Flasche in Richtung Antifa-Fahne. Sofort brachten sich rund dreißig Polizisten in Stellung, um eine Eskalation zu verhindern, was die drei Antifa-Fahnenschwänker und ihre etwa fünfzehnköpfige Anhängerschaft nicht davon abhielt, weiterzumachen: Sie wedelten mit ihrer Fahne dicht vor den Köpfen der Polizisten herum. Daraufhin erteilte die Polizei ihnen einen Platzverweis und führte die linke Gruppe aus dem Bahnhof. Er wurde kurzzeitig gesperrt.

Mehrere Journalisten wurden Augenzeuge dieser Szene, bei der Gewalt und Provokation überwiegend von den Linken ausging. Der Reporter von NDR Info hielt sein Mikro in die Höhe und speicherte, was die Linksradikalen brüllten. Danach tippte er in sein Handy ein, was Augenzeugen bestätigen: „Circa 15 Antifas skandieren.“

Linke Gewalttäter tauchten im Bericht gar nicht auf

Im Bericht des NDR-Reporters am gleichen Tag war dann aber von aggressiven Antifa-Kämpfern keine Rede. Dafür feierte Reporter S. in seinem Kommentar die „erfolgreichen Proteste gegen den Hooligan-Spuk“. Gewalt ist nach seiner Einschätzung ausschließlich von den HoGeSa-Demonstranten ausgegangen. Denn, so heißt es in S.’ Text: „Von den knapp 3.000, die trotzdem gekommen sind, war ein erheblicher Teil erkennbar an nichts anderem interessiert als an Prügeleien.“ Linke Gewalttäter tauchten in dem Kommentar überhaupt nicht auf.

Viele im NDR-Publikum waren mit dieser Einschätzung nicht einverstanden. Unter dem Onlinebeitrag von S. begann eine Kommentarschlacht. Dort sind insgesamt 82 Beiträge, viele von ihnen nehmen die Sichtweise des Kommentators auseinander. Gleich der erste merkt an: „Die deutsche Presse mal wieder, über die Antifas, die Randale zur Zeit machen, wird nichts geschrieben!“ Auch andere werfen S. Stimmungsmache und Verdrehung der Tatsachen vor. „Wo ist der Bericht zur Antifa?“ fragt ein weiterer Leser.

Um 22.08 Uhr griff die Redaktion, die etliche Löschungen vorgenommen zu haben scheint, ein und forderte die Kommentatoren zur Mäßigung auf. Neun Minuten später kommentierte S. höchstpersönlich: „Waren Sie dabei, als drei harmlose Menschen im Bahnhof Hannover eine Antifa-Fahne schwenkten und daraufhin subito mit Flaschen beworfen wurden? Nun, ich schon. Gewaltbereitschaft hatte da schon einen Namen, und zwar pars pro toto.“

Der Landtagsjournalist Gunther Oberheide der neben S. stand und auch in dem Moment auf den Auslöser drückte, als dieser die Nachricht über die Antifas an seine Redaktion tippte, wunderte sich. Wieso berichtete der NDR-Kollege nicht das, was er gesehen hatte, sondern nur das, was in sein Weltbild zu passen schien? Er verfaßte einen Onlinekommentar auf der NDR-Netzseite.

Der Beitrag wurde gelöscht. S. rief bei Oberheide an und drohte mit der Rechtsabteilung seines Senders. Von Reue oder Selbstreflexion keine Spur, so Oberheide. Für die JF war S. nicht zu sprechen.

Inzwischen scheint Reporter S. sensibilisierter zu sein: Zwei Tage nach der Demo berichtete er über die schweren Körperverletzungen durch die Linksextremisten, die zunächst nur in Internetforen diskutiert worden waren.

Foto: Linksradikale auf dem Bahnhof von Hannover, Handy von S. (rechts): Die Linken waren auf Krawall aus, aber der NDR berichtete nur von „erfolgreichem Protest gegen den Hooligan-Spuk“

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